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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Asprion
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verantwortungsvoller umgehen als bislang geschehen und ihnen eine realistische Chance auf Wiedereingliederung geben. 51
    In ähnlicher Art und Weise äußerten sich Fachverbände wie die Neue Richtervereinigung 52 , der DBH – Fachverband für Soziale Arbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik 53 oder eine Fachgruppe des Deutschen Richterbunds 54
    .
    Der „Ziethener Kreis“, der sich selbst als „eine parteipolitisch unabhängige Zusammenarbeit kriminalpolitisch engagierter Praktiker und Wissenschaftler“ bezeichnet, wendet sich im Februar 2011 mit einer Erklärung unter der Überschrift „Etikettenschwindel bei der Sicherungsverwahrung: Ziethener Kreis für Sicherheit durch soziale Integration“ an Politik und Fachwelt. In der Erklärung werden unsere dem Bundespräsidenten vorgetragenen Argumente benannt, aber auch „die Medienhatz“ und die daraus folgende Pogromstimmung gegen die entlassenen Sicherungsverwahrten als außerordentlich problematisch bezeichnet. Ebenso halten die Verfasser eine für alle Bürger sichtbare dauerhafte Überwachung für stigmatisierend, herabwürdigend und einer beruflichen und privaten Integration diametral entgegenstehend. Entlassene, die derart in die Enge getrieben und massiv ausgegrenzt werden, liefen Gefahr, zu genau dem Risiko zu werden, das gerade vermieden werden sollte. Ohne solche Hetzkampagnen wäre die von ihnen ausgehende Gefahr relativ gering. Diejenigen Männer, bei denen Obergerichte trotz gutachterlicher Einschätzung als „gefährlich“ eine nachträgliche Sicherungsverwahrung abgelehnt haben, seien nahezu ausnahmslos nicht schwer rückfälliggeworden. Dies zeige die Unsicherheit, ja Unmöglichkeit von sicheren Gefährlichkeitsprognosen. Die Verfasser verweisen auf ihren Greifswalder Appell und fordern unter anderem die Aufhebung des Therapieunterbringungsgesetzes. 55
    Inzwischen ist das Therapieunterbringungsgesetz (ThUG) in Kraft und hat sich in der Praxis als so gut wie nicht anwendbar erwiesen. Bei der Fachtagung der Akademie in Bad Boll sahen sowohl der bisherige Justizminister Baden-Württembergs Dr. Ulrich Goll als auch der amtierende Justizminister Rainer Stickelberger das Gesetz als so gut wie tot an.

Gerhard Kraus und Ludwig Roser: Ein Jahr nach der Entlassung
    Gerhard Kraus und Ludwig Roser haben nach 35 beziehungsweise 26 Jahren Inhaftierung inzwischen ein Jahr in Freiheit verbracht. Sie wurden praktisch von heute auf morgen auf die Straße gestellt; für Gerhard Kraus gab es nicht einmal die Straße, er musste eine Art Gnadenunterkunft im Gefängnis beziehen.
    In der Verwahrung hatte es bei beiden trotz gutachterlicher Vorschläge und gerichtlicher Rügen nur noch Stillstand gegeben. Gerhard Kraus hat nach seinem Schulabschluss in der Justizvollzugsanstalt keine Beschäftigung mehr ausgeübt. Der schulische Erfolg fand wenig Würdigung, obwohl dieser Schritt für ihn im Alter von über fünfzig Jahren und einer anzunehmenden Ferne und Abstand zu Schule und Lernen eine enorme Leistung bedeutete. Möglicherweise hat man ihn wegen seiner körperlichen Einschränkung als nicht mehr wirklich arbeitsfähig gesehen. Er selbst schien mehr oder weniger immer unauffälliger, war vielleicht auch eine Art Faktotum innerhalb der Anstalt und hat gelassen gewartet, was das Leben noch bringt.
    Kompetenzen und Fähigkeiten wurden ihm schon fast mit Absolutheit abgesprochen. Ein Gutachter bezweifelte, ob das verantwortliche Behandlungspersonal noch „mit Herz“ um ihn bemüht war. Doch wahrscheinlich war es keine Herzlosigkeit, sondern einfach Gewohnheit; man konnte sich nicht vorstellen, dass er im Leben bestehen könnte, erhielte er diese Chance. Er hat zum Gefängnis gehört wie ein Stück Inventar oder die Gitter vor den Fenstern.
    Ab dem Tag der Entlassung blüht Gerhard Kraus auf. Er nimmt im Vergleich zu anderen Männern in derselben Situation die Dauerbegleitung durch die Polizei äußerlich gelassen hin. Manchmal scheint es, die Polizeibeamten seien seine Kollegen oder Freunde. Und er zeigt viele der Fähigkeiten und Kompetenzen, die man ihm zuvor komplett abgesprochen hat. Er kann nicht nur mit den Polizeibeamten angemessen umgehen, sondern auch mit dem ihm zugewiesenen Psychotherapeuten im Rahmen der Vorstellungsweisung guten Kontakt aufnehmen. Dasselbe mit mir als seinem Bewährungshelfer; selten erlebe ich im beruflichen Alltag einen Klienten, der jede Woche überpünktlich vor der Türe steht und sich darüber hinaus regelmäßig telefonisch bei mir

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