Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
erwarten. Und ich begegne diesem verbitterten Menschen auch. Einem Menschen, der versucht, mich vom Unrecht, das ihm angetan wurde, zu überzeugen. Und er besitzt stapelweise Unterlagen, die vieles belegen, was ihn verletzt hat, was wahrscheinlich die meisten anderen Menschen in einer ähnlichen Situation auch verletzt hätte.
Trotzdem lässt er sich auf die von mir angebotene Kooperation ein. Und zeigt in vielen Situationen Charme, Witz und Humor. Auch wenn ihm mal wieder der „juristische Gaul“ durchzugehen droht, reichen knappe Hinweise, um ihn zu stoppen. Er arrangiert sich mit einer Unterkunft, die ich und andere als unwürdige Zumutung bezeichnen. Mit den neuen Nachbarn findet er einen respektvollen Kontakt. Er hat einenBeruf erlernt und früher sein eigenes Geld verdient. Das Angewiesensein auf Arbeitslosengeld II bedeutet eine ernste Prüfung, die er besteht. Und er stellt sich Fragen, auch ihm fremder Menschen. Fragen, die diese sich selbst, wenn überhaupt, wahrscheinlich nur im engsten, vertrauten Freundes- oder Familienkreis stellen lassen würden. Intime Fragen, die immer wieder Themen wie Schuld, Sühne, Reue, Sexualität und persönliche Veränderungen berühren. Wer sonst stellt sich solche Fragen oder beantwortet sie gar wildfremden Menschen?
Es belastet ihn, dass die Freiheit keine wirkliche Freiheit ist. Polizeiliche Eingriffe wie die Dauerobservation oder die „Betreuung“ durch die Kriminalpolizei im Rahmen von KURS sind ihm ein Graus. Er ist sich sicher, dass er für niemanden mehr eine Gefahr darstellt. Hören will das niemand, es gibt ja seine dokumentierte Vorgeschichte.
Und trotz aller negativen Umstände lässt er sich auf eine psychotherapeutische Behandlung ein. Auch zu Arbeit ist er bereit, auch wenn in dieser Zeit nur eine Beschäftigung als Ein-Euro-Job in Betracht kommt. Er hatte innerlich damit abgeschlossen, jemals noch in Arbeit zu kommen. Einerseits resigniert, andererseits auch aus einer Art politischer Protesthaltung. Und er steht sicher nicht alleine mit der Auffassung, dass diese Ein-Euro-Jobs auch Vernichtungsmaßnahmen für reguläre Arbeitsplätze sind. Er ist informiert und weiß, dass einer der Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens, der Unternehmer Götz Werner, das aktuelle System unserer Sozialleistungen als eine Art offenen Strafvollzug bezeichnet. Trotzdem würde er sich darauf einlassen, wenn man ihn denn ließe. Sein Verhalten macht ihn für die Polizei unbequem. Vielleicht muss er seine Unbeugsamkeit büßen. Die im Vergleich mit anderen entlassenen Sicherungsverwahrten erkennbar härtere Einschätzung und Behandlung durch die Polizei ergibt sich zumindest für mich aus den vorliegenden Gutachten nicht.
Und es sah so aus, als ob andere dies auch sehen könnten. Bereits zwei Monate nach seiner Entlassung aus der Sicherungsverwahrung findet eine Konferenz statt, die sich mit Möglichkeiten der Veränderung im Umgang mit Ludwig Roser beschäftigen soll. Angeregt wurde diese Konferenz in einer Besprechung beim Leiter der Landespolizeidirektion Südbaden. Alle Beteiligten hatten dort nach Lösungen gesucht, die die Situation für die Polizei und für die dauerobservierten Männer erträglicher machen sollten. Man kam zum Schluss, dass am ehesten bei Ludwig Roser Veränderungen denkbar sind. Beauftragt mit der Prüfung werden der Bewährungshelfer, der Therapeut der Forensischen Ambulanz und der KUR S-Koordinator der Polizei. Es soll eine Art „Lockerungskonferenz“ stattfinden, wie sie in den Justizvollzugsanstalten die Regel sind.
Die Konferenz fand statt und im vereinbarten Protokoll, dem alle Beteiligten zustimmten und das auch Ludwig Roser erhielt, kommt man zur Einschätzung, dass „Ludwig Roser von allen Beteiligten als überaus kooperativ erlebt wird, zum Teil überraschend und entgegen der ursprünglichen Erwartungen. Er nimmt alle Termine wahr, hält sich an Weisungen und scheint selbst darum bemüht, sich zu integrieren. Sein Verhalten wird als günstige Basis gesehen, die bisherigen Maßnahmen zumindest zu überprüfen. Er erklärt sich auch ohne Einwände bereit, weitere Unterlagen an den Therapeuten der Forensischen Ambulanz herauszugeben, was er direkt im Anschluss an die Besprechung auch tut.“
Aus diesen Erkenntnissen heraus regen die Teilnehmer der Konferenz an, „die Zahl der observierenden Beamten von fünf auf drei zu reduzieren, ihm die Wahrnehmung der Termine bei Bewährungshelfer und KUR S-Koordinator und Forensischer
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