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Gefährliche Freiheit

Gefährliche Freiheit

Titel: Gefährliche Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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eigentlich ihm zustehe.
    Er brauchte lange, um den Gedanken zu Ende zu denken. So schwer es ihm fiel, die Mimik und Körpersprache anderer Leute zu deuten, so schwierig fand er es auch, bei dem, was sie sagten und wie sie es sagten, zwischen den Zeilen zu lesen. Immer wieder ging ihm das Gespräch zwischen Oscar und Krakenaur durch den Kopf. Hatte Oscar nicht ein wenig zögerlich geklungen, ein wenig ehrfürchtig, selbst dann, als er Krakenaur gedroht hatte? Hatte er nicht ein bisschen zu sehr versucht, lässig und unbeteiligt zu wirken? Warum hatte er Krakenaur erlaubt, Angebote zu machen und um sein Leben zu feilschen?
    Luke dachte an all die Male, bei denen er schikaniert oder geschlagen worden war: von seinen Brüdern, von anderen Jungen, direkt nach seiner Ankunft in der Hendricks-Schule, von den Bevölkerungspolizisten im Gefangenenlager. Keiner von ihnen hatte ihm jemals angeboten zu feilschen. Sie hatten ihn einfach getreten, geschlagen und herumkommandiert.
    Allerdings nur, solange ich machtlos war. Solange ich nicht gedroht habe, Matthew und Mark zu verpetzen und die Eltern ins Spiel zu bringen. Solange die Jungen in der Schule nicht darauf angewiesen waren, dass ich ihre Geheimnisse für mich behielt. Solange die Bevölkerungspolizisten nicht wussten, dass ich Möglichkeiten habe, ihnen zu entwischen.
    In diesem Moment, mitten in einer überglücklichen Menschenmenge, die das Ende der Bevölkerungspolizei feierte, spürte Luke, wie eine schreckliche Gewissheit in ihm hochkroch.
    Aldous Krakenaur ist nicht machtlos. Er hat immer noch etwas in der Hand.
    Gegen Oscar.

 
27. Kapitel
     
    Luke wandte sich den Leuten zu, die um ihn herumsaßen. Am liebsten hätte er ihnen gesagt: Hört mal – wir stecken in großen Schwierigkeiten. Aber alle außer ihm jubelten und klatschten.
    »Wir sind zurück und berichten live aus dem früheren Hauptquartier der Bevölkerungspolizei«, sagte Philip Twinings oben auf der Bühne gerade. »Und wir beginnen jetzt die Berichterstattung über die Ära der Bevölkerungspolizei. Wir werden senden, solange Menschen bereit sind zu erzählen.«
    Wieder jubelte die Menge.
    Sie tun, was Oscar vorgeschlagen hat, dachte Luke, immer noch entsetzt.
    Aber was sollte falsch daran sein, dass Leute ihre Geschichte erzählten? Welchen Beweis hatte Luke dafür, dass Krakenaur Oscar in der Hand hatte? Und was konnte Luke schon dagegen tun? Wer würde auf ihn hören?
    Wie gelähmt saß er da und ließ die Stimmen, die von der Bühne kamen, über sich hinwegströmen. Ein Mann erzählte davon, dass die Bevölkerungspolizei sich geweigert hatte, ihm das Getreide zu ersetzen, als er seines versehentlich verschüttet hatte. Ein Mädchen berichtete, dass die Bevölkerungspolizei ihr die Erdbeeren weggenommen hätte, die sie in ihrem eigenen Hinterhof angebaut hatte. Eine Frau beschrieb, wie sehr sie ihren Mann vermisst hatte, als dieser zur Bevölkerungspolizei gegangen war, um Essen für seine Familie zu verdienen. Luke begann sich langsam zu entspannen.
    Das sind doch nur Leute, die erzählen, wie schrecklich die Bevölkerungspolizei war, dachte er. Das wird sie nicht an die Macht zurückbringen. Vielleicht liege ich völlig falsch. Vielleicht habe ich Oscar und Krakenaur missverstanden.
    Er hörte weiter zu, die Geschichten wirkten wie beruhigender Balsam. Je schlimmer die Schrecken, die die Redner beschrieben, desto besser fühlte sich Luke.
    Wer das hört, der wünscht sich die Bevölkerungspolizei bestimmt nicht zurück an die Macht, dachte er bei all den Geschichten über Schläge, Verstümmelungen, Grausamkeiten und Verachtung.
    Ein Junge humpelte mühsam zur Bühne und verlor dabei fast das Gleichgewicht. Die Leute verstummten, während sie zusahen, wie er langsam die Stufen erklomm, den Oberkörper auf Krücken gestützt, die Beine verkrümmt und kaum noch zu gebrauchen.
    »Das hat mir die Bevölkerungspolizei angetan«, sagte er ins Mikrofon, das Philip Twinings ihm hinhielt. Im grellen Kameralicht wirkten seine Augen groß und verängstigt. Das Atmen schien ihm schwer zu fallen. »Ich bin beigetreten, weil meine Familie am Verhungern war. Sie haben mir befohlen, Ställe auszumisten. Ich dachte, ich würde ihnen … helfen. Ich habe einen Verbesserungsvorschlag gemacht und da … sind sie auf mich losgegangen. Ich bin fast umgekommen dabei. Ich wäre umgekommen, wenn die Rebellen mich nicht gefunden hätten … wenn sie mir nicht zu essen gegeben und mich gepflegt hätten. Seht mich an,

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