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Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Titel: Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Dietz
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kam also eher nicht infrage, genau wie der zerstreute Chemielehrer und der Biologie-Gigant mit der Pottfrisur. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich ein Mädchen unsterblich in einen von ihnen verliebte. Mmmhh. Aber da war dieser Rick Smith, dieser Englischlehrer aus der Mittelstufe, der aussah wie ein Schnulzensänger. Der würde auch zu der Beschreibung von Lauras Traummann passen. Der könnte es sein. Aber wie sollte ich das genau rausfinden? Damit kam ich wieder auf die blöde Namenssache. Wie dumm, dass sie seinen Namen noch nicht mal in ihrem Tagebuch verraten hatte. Als ich in Lukas verknallt war, hatte ich immer und überall seinen Namen hingekritzelt, total manisch – und voll peinlich. Jedenfalls hinterher, als klar war, dass aus uns nix wird. Da musste ich dann alle Lukas-Spuren in meinen Heften und Büchern wieder vernichten. Eines immerhin wusste ich also in Liebesdingen: Man will den Namen des Liebsten sagen, flüstern, wispern, ausposaunen! Aber was macht man, wenn man das nicht darf? Und dann hatte ich plötzlich eine Eingebung. Die Tätowierung! Laura hatte dieses chinesische Schriftzeichen auf der Hüfte gehabt, ungewöhnlich für so eine streberhafte Langweilerin. Vielleicht hatte sie sich im Strudel der Gefühle dazu hinreißen lassen, sich seinen Namen eintätowieren zu lassen! Das wäre ja nun echt ein dramatischer Weg, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen! Und dann auch noch chiffriert – als chinesische Schriftzeichen! Genial, das konnte nämlich keiner lesen. Außer Chinesen natürlich. Aber da das Tattoo auf ihrer Hüfte war, hatte ihre Familie es vermutlich nie gesehen. Zum Glück ließ mich mein fotografisches Gedächtnis nicht im Stich. Zu Hause setzte ich mich sofort hin und malte das Zeichen von dem Bild in meiner Erinnerung ab. Es sah ein bisschen aus wie ein Haus mit vielen Türen, einem runden Fenster in der Fassade und einem losen Dach. Jetzt brauchte ich nur noch die Übersetzung. Ich googelte es, aber das brachte nichts. Die Chinesen haben ungefähr eine Million Schriftzeichen oder so. Klare Sache, ich brauchte eine Expertenmeinung. Am nächsten Tag ließ ich mich nach der Schule von Enzo zur Uni bringen. Ich hatte einen Termin im Institut für Sinologie.
    »Du weißt doch, dass ich dich nur unter Protest dorthin fahre«, sagte Enzo. »Ich finde immer noch, du solltest deine Energie für etwas Sinnvolleres aufwenden und zum Beispiel lernen.«
    »Hör auf damit, die Vaterrolle steht dir nicht.«
    Enzo zog eine Grimasse. Ich rollte genervt mit den Augen und guckte aus dem Fenster. Er ließ die Zunge verrückt zwischen den Lippen hin und her schlenkern und machte so was wie »blobbelblobbelblobbel«.
    »Hör auf damit«, giftete ich.
    »Wieso? Steht mir die Kinderrolle auch nicht?«, fragte er grinsend. Also ehrlich. Was war das nur für ein alberner Kerl?
    Ich musste quer durch das Unigebäude, um zum Institut für Sinologie zu kommen. Die Dozentin war eine energische pummelige Frau, die nur einen Blick auf meine Zeichnung warf und erklärte: »Das ist kein chinesisches Zeichen.«
    »Was?«, fragte ich verständnislos.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Gucken Sie noch mal genau«, bat ich. »Es gibt doch so viele…«
    »Das ist kein chinesisches Zeichen«, wiederholte sie. »Es sieht vielleicht für einen Laien so aus, aber das hat mit der chinesischen Schrift so viel zu tun wie eine Litfaßsäule mit der Akropolis.«
    Enttäuscht machte ich mich auf den Weg zurück zum Haupteingang, wo Enzo auf mich wartete, weil ich ihm überzeugend erklärt hatte, dass ich ihm schon abgehauen wäre, wenn ich das gewollt hätte. Und da ich in letzter Zeit brav gewesen war, hatte er mich mit einem Vertrauensvorschuss belohnt. »Mach nicht, dass ich das bereue«, hatte er gesagt. Und das hatte ich auch wirklich nicht vorgehabt, leider kam mir aber mal wieder was dazwischen. Als ich durch einen Gang kam, sah ich einen Seminarraum, an dem ein Zettel mit der Aufschrift »VWL Einführungskurs« hing. Da müsste jetzt mein Bruder eigentlich sein, dachte ich. Ein dunkelblonder junger Mann, Typ reicher Schnösel, mit irritierend blassblauen Augen lehnte neben der offenen Tür, Fuß an die Wand gestützt. Auf gut Glück blieb ich stehen und fragte: »Hi. Kennst du einen Bastian?«
    »Basti? Logisch«, sagte er. »Aber ich glaube nicht, dass er heute kommt. Hat sich schon seit ein paar Wochen nicht mehr blicken lassen.«
    »Ja«, sagte ich. »Ist mir auch

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