Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
geradeheraus zurück: »Bist du etwa immer noch an dieser Selbstmord-Sache dran?«
Ich seufzte. Offensichtlich war seine Polizistenspürnase gar nicht so schlecht. »Ja«, sagte ich. »Ist aber nur noch eine Kleinigkeit. Ich muss den Freund von Laura namens John finden.«
»Aha«, sagte Enzo und seufzte. »Und woher weißt du, dass er John heißt?«
»Aus Lauras Tagebuch.«
»Du hast ihr Tagebuch gefunden?«, fragte er erstaunt.
»Ja. Es ist mir zufällig in die Hände gefallen.«
Bei »zufällig« verzog er zweifelnd das Gesicht, aber das kümmerte mich nicht. Erst als er sagte, es sei ein Beweismittel, das ich der Polizei geben müsse, stöhnte ich genervt auf. »Das mache ich«, versprach ich. »Wenn ich diesen John gefunden habe.«
Enzo rollte die Augen und murmelte ein paar Worte vor sich hin, von denen ich nur zwei eindeutig identifizieren konnte, nämlich »störrisch« und »Esel«.
»Dann weißt du ja, dass Gutzureden bei mir nichts bringt«, sagte ich. »Also, willst du mir jetzt helfen oder nicht?«
»Mmmhh«, antwortete Enzo. »Du kennst also nur den Vornamen.«
»Ja.«
»Und niemand kennt einen John?«
»Bisher nicht.«
Enzo grübelte. Dann sagte er: »In Amerika bekommen unidentifizierte männliche Leichen den Namen John Doe. Vielleicht ist John nur ein Deckname.«
»Oh mein Gott«, rief ich. »Und wieso hat sie nicht seinen richtigen Namen geschrieben?« Die Antwort gab ich mir selbst. »Weil niemand von der Verbindung erfahren durfte. Weil es eine verbotene Liebe war.«
»Das klingt plausibel.«
Meine Neugier wurde erneut angefacht wie ein Waldbrand im warmen Sommerwind. »Nora hatte das Tagebuch nicht haben wollen, weil ihre Mutter bei ihr im Zimmer rumschnüffelt. Und Laura hat das Buch im Spind versteckt«, sagte ich aufgeregt. »Vermutlich hatte auch sie unter einem Überwachungsregime zu leiden. Big Mother is watching you! Und als Sicherheitsmaßnahme hat sie den wahren Namen ihres Liebsten verschwiegen!«
»Ist nur eine Theorie«, mahnte Enzo, aber ich hörte schon nicht mehr hin, weil mir diese Erkenntnis so logisch und gleichzeitig so verworren vorkam. Oha! Ein mysteriöser Liebhaber, eine beste Freundin, die ihn ausspannte, ein kaltes nasses Grab im Fluss. Und ein Mädchen, das nicht lockerlassen würde, bis es alle Figuren in diesem rätselhaften Fall kannte. Und das jetzt dringend mal eine Eingebung brauchte, wie es den verflixten Macker von Laura und Milena finden konnte! Meine Erfahrungen mit unsterblicher Liebe waren leider bisher äußerst beschränkt. Bis auf die Schwärmerei für Lukas und einen feuchten Kuss von einem vor Aufregung röchelnden Jungen namens Frederik auf der Schulfreizeit in der 9. Klasse hatte ich ehrlich gesagt noch überhaupt kein Know-how im Thema Beziehungen erworben. In dieser Hinsicht war ich ein absoluter Spätzünder. Und da ich im Moment auf eine Mädchenschule ging, war auch weit und breit niemand in Sicht, in den ich mich verlieben könnte. Vielleicht tat mir die von Cappeln sogar einen Gefallen, wenn sie mich vor die Tür setzte. Ein erneuter Wechsel würde mich zwar in meiner schulischen Laufbahn zurückwerfen, aber vielleicht könnte ich dann auf einem gemischtgeschlechtlichen Gymnasium mein Liebesleben endlich in Schwung bringen. Wenn ich noch ein weiteres halbes Jahr ohne einen Schwarm auskommen müsste, dann würde ich mich am Ende noch… Und dann kam es zu einem denkwürdigen Moment ungewohnter Harmonie mit dem nervigsten Bodyguard aller Zeiten. Denn in diesem Augenblick, als mir klar geworden war, wo ich den Freund von Laura zu suchen hatte, sagte Enzo, als hätte er meine Gedanken gelesen: »Sie hatte was mit einem Lehrer.«
Eine Rakete voller Aufregung zündete in meinem Magen. »Genau!«, rief ich. »Deswegen hält auch Milena den Namen geheim! Weil es ein Lehrer ist!«
»Ja, das kommt total häufig vor und da sind ja auch schon einige Pädagogen…«, schwätzte Enzo, aber ich hörte nicht zu, denn ich ging im Geiste die Lehrer durch, die wir hatten. Ich fand ja die Vorstellung, einen von meinen Lehrern zu küssen, ziemlich eklig. Aber es gab ja auch Mädels, die Justin Bieber küssen würden, würg. Der Mathelehrer war am sympathischsten, fand ich, dann war da natürlich noch Pascal von Cappeln, der mit Laura vielleicht am meisten zu tun gehabt und ziemlich fertig ausgesehen hatte bei der Trauerfeier, der in Lauras Tagebuch aber total schlecht wegkam und auch von der Optik der totale Gegensatz zu ihrem Traummann war. Der
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