Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
sehen kann. Da konnte ich nicht aus meiner Haut. Leider. Ich ging mir nämlich damit selbst auf die Nerven.
Da Milena erst gestern so freundlich zu mir gewesen war und mich sogar bei Facebook als Freundin geaddet hatte, war es kein Problem, ihr jetzt ebenso freundlich zu begegnen. Ich hatte nicht vor, sie mit meinem Wissen über ihren Freund-Diebstahl zu konfrontieren, sonst würde sie mir unter Garantie nicht erzählen, wo ich John finden könnte. »Du glaubst nicht, wen ich gestern getroffen habe«, fing ich an und tat so, als hätte ich eine super Story auf Lager. »Jemanden, der dich auch sehr gut kennt.«
»Ach ja? Wer?«
»John!« Ich beobachtete aufmerksam ihre Reaktion. Aber auf ihrem Prinzessinnengesicht tat sich gar nichts. Nicht das leiseste Kräuseln der Oberfläche, keine Stirn, die gerunzelt wurde, keine Augenbraue, die zuckte, kein Mundwinkel, der sich verzog.
»Und wer ist das?«, fragte sie. »Kenne ich nicht.«
Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. »Äh, dieser gut aussehende Typ«, sagte ich.
»Du meinst aber nicht den aufdringlichen Kerl von Kims Feier? Dieser aufgeblasene blonde Typ?«
»Nee«, sagte ich. »Das war doch Tom.«
»Ach ja«, sagte sie. »Stimmt ja.«
Mmmh. Entweder hatte sie ein katastrophal schlechtes Namensgedächtnis oder sie log wie ein Profi. Würde mich auch nicht wundern. Hatte sie gestern auch schon mal gemacht.
»Komisch, er schien dich wirklich zu kennen«, beharrte ich, weil mir sonst nichts Besseres einfiel.
»Ach, das kommt vor«, sagte sie. »Gibt immer mal irgendwelche Verehrer, von denen ich nichts weiß.« Komischerweise kam es mir so vor, als ob sie die Wahrheit sagte.
»Wie heißt denn dein Freund?«, fragte ich.
»Sagen wir mal so«, sagte Milena seufzend. »Ich habe offiziell keinen Freund, weil meine Eltern mich kreuzigen würden, wenn ich vor der Ehe… du weißt schon. Nimm es mir nicht übel, aber deswegen halte ich das total geheim.«
»Na klar.«
Sie ging zu ihrer Clique zurück. Mir fiel der Dialog von Milena und Jennifer wieder ein, von damals, als ich in Chemie unter dem Tisch gesessen hatte. »Die Ex von meinem Freund hat sich von ihrem Typen getrennt. Und jetzt habe ich Sorge, dass er zu ihr zurückwill«, hatte sie gesagt. Das würde ja aber bedeuten, dass Laura einen anderen Freund gehabt hatte. Einen Nachfolger von John. Aber das war auch merkwürdig, weil sie ja drei Wochen vor ihrem Tod geschrieben hat, dass sie ohne John nicht leben kann. Hä? Irgendwas stimmte hier ganz gewaltig nicht. Es passte alles nicht zusammen! Mir schwirrte der Kopf. Und was ist das Beste gegen Verwirrung, Liebeskummer, Stress in der Schule und andere Desaster? Na logo: Shopping! Da war nur das kleine Problem, dass ich Enzo am Hals hatte. Seit unserem kleinen Disput über meine angeblich aufbrausende Art hatten wir unsere Kommunikation auf ein Minimum reduziert. Aber erstaunlicherweise hatte er an diesem Tag sogar Verständnis dafür, als ich ihn bat, sich im Hintergrund zu halten. »Null problemo«, sagte er, »du wirst gar nicht merken, dass ich da bin.«
»Da bin ich aber mal gespannt.«
»Obwohl du natürlich was verpasst«, prahlte er, »ich bin ein toller Einkaufsberater, hat meine Exfreundin immer gesagt.«
»Das wüsste ich aber«, sagte ich.
»Den grünen Pullover hattest du noch nie an. Warum eigentlich?«, fragte er und lächelte süß-sauer.
»Da war einfach noch nicht die passende Gelegenheit für«, gab ich zurück und ließ dabei unerwähnt, dass er mit der Einschätzung, dass mir Grün nicht steht, vielleicht doch ein bisschen recht gehabt hatte. Mit diesem Pulli sah ich unheimlich blass aus, richtiggehend krank. Nur deswegen hatte ich ihn noch nie angezogen. Aber nur, weil er damit richtig gelegen hatte, war das noch lange kein Grund, auf seinen Rat zu hören. Schon gar nicht in modischen Dingen! Zum Glück blieb er in den Geschäften tatsächlich auf Abstand. Während ich mich durch die Kleiderstangen wühlte, telefonierte er die ganze Zeit in akzeptabler Entfernung. Drei Läden hatte ich schon abgeklappert, als mich die Lust auf einen Cappuccino Vanilla Choc überkam. Ich beschloss, einen kurzen Umweg zur angesagtesten Kaffeebar der Stadt einzulegen. Enzo blieb draußen an der Ecke stehen, immer noch in sein Telefongespräch vertieft. War mir nur recht. Kaffee zu holen war nicht gerade eine risikoreiche Aktion. In der Kaffeebar entdeckte ich dann den Surflehrer-Typ von Kims Party, der auf einem der dicken Ledersessel entspannt
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