Gefaehrliche Gefuehle
stierte eine Weile sauer vor sich hin. Ich wartete, schob den Rollstuhl ein bisschen hin und her. Setzte mich sogar rein und probierte ihn aus. Ganz schön wendig, das Ding.
»Also gut«, sagte sie dann zähneknirschend. Fünf Minuten später hatte ich die Wanze in meiner Tasche, Becky saß im Rollstuhl, Computer auf dem Schoß und ließ sich von mir über den Gang fahren. Das Krankenhauspersonal, das uns entgegenkam, gab staunende Kommentare ab.
»Die sollen bloß die Schnauze halten«, murrte Becky leise. Wir fuhren mit dem Aufzug hoch. Ein kleiner Junge starrte auf den fehlenden Unterschenkel.
»Was ist damit passiert?«, fragte er.
»Ich habe zu viele Fragen gestellt«, gab Becky giftig zurück. Der kleine Junge versteckte sich ängstlich hinter dem Bein seiner Mutter, bis er im zweiten Stock ausstieg.
Wir steuerten den Aufenthaltsraum im vierten Stock an. Er war bunt geschmückt mit selbst gemalten Bildern und Postern. An einem Tisch saßen Eltern und spielten Mensch ärgere dich nicht mit ihrer Tochter, die an einem Tropf hing. Wir nahmen einen Tisch am Rand. Becky packte den Computer und ihr Handy aus.
»Bin gleich wieder da«, sagte ich. Sie nickte. Ich ging zum Schwesternzimmer. »Ich bin Natascha Sander. Die Fee in Grün«, sagte ich. »Ich wollte im Feenzimmer meinen Kittel holen.« Eine sauertöpfisch dreinblickende Schwesternschülerin schloss mir auf. Der Raum war nicht besonders groß. Ein rechteckiger Tisch in der Mitte, vier Stühle, sechs Spindschränke, ein Regal mit Vorlesebüchern und DVDs, Comics und Malsachen. Ich brauchte einen guten Platz für den Sender. Er war schwarz und etwas kleiner als ein USB-Stick. Ich überlegte, wo ich ihn hinlegen sollte, sodass man ihn weder sah noch aus Versehen wegräumte. Dann entschied ich mich dafür, ihn einfach auf das oberste Regalbrett zu legen. Ich stellte mich auf einen Stuhl. Das Regal war von einer dicken Staubschicht bedeckt. Optimal. Das bedeutete, dass die Putzfrauen hier oben eher selten hinkamen. Plötzlich ertönte ein Klingeln und ich fuhr erschrocken zusammen. Mit klopfendem Herzen bemerkte ich, dass es sich um eine Wanduhr handelte, deren Ziffernblatt mit Feen übersät war. Anscheinend zeigte sie jede volle Stunde mit einem hellen Glöckchen an. »Alte Schabe«, murmelte ich und stieg vom Stuhl herunter. »Kannst du mich hören?«, fragte ich in den leeren Raum hinein. »Hallihallo?!«
Ich hatte noch nicht fertig gesprochen, da ging die Tür auf. »Hört deinem Gewäsch niemand mehr zu oder warum redest du mit dir selbst?«, fragte Silvy.
In dem Moment klingelte mein Handy – das verabredete Zeichen, dass die Verbindung gut war.
»Ich ziehe jederzeit eine Unterhaltung mit mir selbst einer mit dir vor«, gab ich zurück und drückte den Anruf weg.
»Was machst du hier?«, fragte Silvy misstrauisch.
»Na, was wohl? Ich hole meinen Kittel.« Ich machte den Spind ganz rechts auf, in den ich meinen grünkohlfarbenen Kittel abgelegt hatte.
»Das ist ja sehr schön«, sagte Silvy zufrieden mit Blick auf die Scheußlichkeit von Kittel, »dass du dich an meine Vorgaben hältst.«
»Das würde ich doch nie tun«, gab ich liebenswürdig zurück. »Ich wollte ihn in die Altkleidersammlung geben.«
»Was?«, schnaubte Silvy. »Das darfst du nicht, das ist Krankenhauseigentum, das …«
»Halt die Luft an«, sagte ich kichernd. »War nur ein Scherz. Du siehst so hübsch aus, wenn du dich aufregst.«
»Ich reg mich gar nicht auf«, behauptete Silvy. »Jedenfalls nicht darüber.«
Oh, ich kannte diesen selbstmitleidigen Blick. »Was ist los?«, fragte ich und versuchte, den Spott in meiner Stimme zu verbergen. »Gibt’s Ärger?«
»Du hast es wohl noch nicht gehört, was?«, sagte sie und schaffte es tatsächlich, ihrer Stimme ein Zittern zu verleihen.
»Was denn? Hast du aus Versehen ein Wahrheitsserum getrunken und kannst nicht mehr lügen?«
Ihre Augen verengten sich. »Dir sage ich überhaupt nichts«, beschied sie überheblich. Eines stand fest: Ihre Opferrolle spielte sie wie immer königlich.
»Na, siehst du«, sagte ich lachend. »Es funktioniert! Das Wahrheitsserum funktioniert!«
Silvy klappte den Mund auf und zu, ihr fiel aber nichts ein. In dem Moment kamen auch Marie und Lola rein und ich eilte zum Aufenthaltsraum. Becky kriegte sich kaum ein vor Lachen. »Ich hätte euch noch den ganzen Tag zuhören können«, sagte sie.
»Und was reden sie?«, fragte ich atemlos.
Becky reichte mir den zweiten Kopfhörer und zusammen
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