Gefaehrliche Gefuehle
du nicht wagen.«
»Doch«, antwortete David wieder hörbar.
»Was?«, fragte ich Becky. »Was hat er eben gesagt?« Sie zuckte mit den Schultern. Das Nächste, was wir hörten, war das Türenknallen.
»Dämliche Ziege«, sagte David Wöbke und kramte noch eine Weile weiter, fand aber offensichtlich nichts, was ihm weiterhalf. »Scheiße«, sagte er und dann verließ auch er das Zimmer. Das Glöckchen der Wanduhr klingelte viermal.
»Was war das denn?«, fragte ich Becky, als wieder Ruhe eingekehrt war.
»Das war ziemlich großes Kino«, sagte sie. »David Wöbke, der Schwesternstecher, hat mal wieder ein Herz gebrochen.«
»Aber was meinte Jolanda mit ihrer Erfindung?«, fragte ich.
»Keine Ahnung. Ist mir bisher noch nicht zu Ohren gekommen, dass sie so ein Superbrain ist. Vielleicht irgendeine medizinische Verbesserung?«
»Und was hat er da so leise zu ihr gesagt?«, fragte ich. »Können wir das noch mal hören?«
»Kein Problem.« Becky fuhr den Cursor an die Stelle, aber auch beim zweiten Mal Hören konnten wir das Gemurmel nicht verstehen.
»Hat er Schwester Sarah noch mal erwähnt?«, fragte ich.
»Ich habe Sahara verstanden«, sagte Becky. »Vielleicht will er sie in die Wüste schicken.«
Ich zuckte mit den Schultern. Eine halbe Stunde später tauchten Silvy, Marie und Lola noch mal kurz im Feenzimmer auf, aber auch da hatten sie nichts zu berichten. Immerhin konnten wir erfahren, dass sie sich schon am nächsten Tag wieder dort trafen. Becky und ich verließen unseren Beobachtungsposten und machten uns auf den Weg nach unten.
»Hoffentlich kriegen wir den Beweis noch«, sagte ich. Becky antwortete nicht.
»Bist du noch sauer auf mich wegen eben?«, fragte ich.
Sie zuckte mit den Schultern. Ich beugte mich über sie, um ihr ins Gesicht zu sehen. »Jetzt sag nicht so einen Scheiß wie Es wird alles wieder gut«, blaffte sie mich an.
Ich lachte. »Ich wollte fragen, ob wir uns morgen wiedersehen.«
»Vielleicht«, sagte sie ausweichend.
Ich fuhr Becky zurück in ihr Zimmer. Ihre Mutter saß auf einem Stuhl und las eine Zeitschrift. Als wir reinkamen, sprang sie auf. Sie strahlte richtig. »Becky!«, rief sie. »Das ist ja toll, dass du einen Spaziergang …«
»Spazierfahrt«, unterbrach Becky mürrisch. »Ich habe eine Spazierfahrt gemacht. Denn gehen kann ich ja nicht mehr, wie du dich vielleicht erinnern kannst.«
Sofort wich die Freude aus Martina Terbrüggens Gesicht. »Ja, natürlich, Schatz«, sagte sie. »Ich weiß.« Und sie sah wieder so aus, als ob sie in Tränen ausbrechen würde. Sie wollte Becky helfen, aufs Bett zu kommen, aber Becky wehrte sie ab und schaffte es auch alleine. Auf dem Weg vor dem Fenster sah ich plötzlich Aziza mit ihren Eltern entlanggehen. Sie unterhielten sich. Die Mutter hatte ihre Tochter untergehakt. Schön, dass das gut ausgegangen war. Bastian war zwar ein unzuverlässiger Arsch, aber um Aziza hatte er sich gut gekümmert. Es tat mir natürlich leid, dass er Liebeskummer hatte. Aber zumindest sah Aziza einigermaßen fröhlich aus.
»Ich gehe dann mal«, sagte ich und nahm meinen Mantel, den ich einfach über den hässlichen Kittel zog.
»Danke, Natascha«, sagte Beckys Mutter. Die Tür ging auf und die abendliche Visite begann. Dr. Klinger mit einer dunkelhaarigen Ärztin und drei jungen Assistenzärzten. Einer von ihnen trug einen durchsichtigen Beutel mit Medikamenten. Eine Packung davon erkannte ich. So eine war auch in Philipps Tasche gewesen.
»Tschüss, bis morgen, Becky.«
Ich war schon an der Tür, als sie antwortete: »Bis morgen, Natascha.«
»Rebecca, das ist Dr. Braga, sie ist Psychologin …«, hörte ich Dr. Klinger noch sagen, dann schloss ich die Tür und ging zurück zu meinem Roller. Es war schon dunkel. Enzo, dachte ich. Endlich! Ich rief schnell zu Hause an, um Bescheid zu geben, dass ich später kam, dann fuhr ich mit meinem Roller zu Enzo. Ich war total aufgeregt. Klingelte, drückte die Tür auf, rannte die Stufen hoch, da war er. Ich sprang ihm so stürmisch in die Arme, dass er fast an den Türrahmen geknallt wäre. Und dann küssten wir uns. Noch mal. Und noch mal. Und irgendwann löste er sich von mir und sagte lachend: »Hallo Natascha. Willst du nicht erst mal reinkommen?«
Und ob ich wollte! Besonders, da heute seine Wohnung eine komplett Violetta-freie Zone war, wie ich zu meiner großen Erleichterung feststellte. Er zog mich an der Hand durch den schmalen Flur und gab mir eine kurze Führung. »Das da ist die
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