Gefaehrliche Gefuehle
Mutter. »Aziza hat vor uns keine Geheimnisse.«
Ich begann mich über mich selbst zu ärgern. Das lief alles andere als nach Plan. Jetzt fing ich erst richtig an zu schwitzen. »Wohin sind die beiden gefahren?«, fragte ich so harmlos wie möglich.
»Nach Spanien. Sie wollte dort für ihr Diplomarbeitsthema recherchieren. Einem Vergleich zwischen Auswirkungen der Zuwanderung aus arabischen Ländern auf die Wirtschaft in Spanien und Deutschland.«
»Ach so«, sagte ich dümmlich. »Davon hatte sie mir gar nichts erzählt.«
»Aus welchem Land kommen Sie ursprünglich?«, fragte der Vater.
»Äh. Arabien?«
»Saudi-Arabien?«
Ich nickte. Der Mann sagte was zu mir in irgendeinem Kauderwelsch und ich verstand nur Bahnhof.
»Salem aleikum«, sagte ich auf gut Glück. Die beiden warfen sich einen bedeutungsvollen Blick zu. Ich bekam einen Schweißausbruch allererster Kajüte.
»Äh, mein Arabisch ist etwas eingerostet«, sagte ich. Die beiden musterten mich ganz ruhig. Und ich fing an zu hyperventilieren. Ich war kurz vor einem Panikanfall! Diese Leute waren so nett! Und ich führte so ein bescheuertes Bauerntheater auf! Und mir war so warm am Gesicht, der Stoff klebte auf der Stirn und ich fing an zu keuchen.
»Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte Azizas Mutter besorgt.
»Nein«, sagte ich, stellte die Tasse auf den Tisch und riss mir hektisch die Burka vom Kopf. Ich versuchte es zumindest, aber ich verhedderte mich in dem langen Stoff und es dauerte eine Weile, bis ich das ganze Teil abgelegt hatte. Meine Haare wurden durch die Reibung an dem Stoff elektrisch aufgeladen und standen nach allen Seiten ab.
»Es tut mir total leid«, sagte ich, als die beiden, halb belustigt, halb verwirrt, mein normales Ich betrachteten.
»Ich bin die Schwester von Azizas Freund. Mein Bruder hat mir und meinen Eltern nicht gesagt, wo er hin ist. Und ich dachte, vielleicht wüssten Sie nicht, dass Aziza einen Freund hat und dass es Ärger gäbe, wenn Sie es erführen, weil… also, ich wusste nicht, dass Sie so… äh… deutsch sind.«
Die beiden schmunzelten. »Ja, die Integration ist nicht überall gescheitert.«
»Ich dachte, ich bringe Ihre Tochter vielleicht in Schwierigkeiten, wenn ich hier auftauche und Ihnen sage, dass sie einen deutschen Freund hat«, wiederholte ich, um nicht wie ein Trottel dazustehen.
»Das war sehr umsichtig von Ihnen«, sagte die Mutter. »Das wissen wir zu schätzen. Trotzdem sollten Sie mal Ihre Stereotypen etwas überarbeiten.«
»Ja, das mache ich«, sagte ich kleinlaut.
»Und, wie ist es unter dem Ding?«, fragte der Vater.
»Schrecklich«, sagte ich und zerknüllte den Stoff zu einem Ballen. »Brauchen Sie einen Putzlappen?«
»Nein danke«, sagte die Mutter. »Aber ich kann es wegwerfen, wenn Sie möchten.«
»Gerne.« Auf dem Weg zu Wohnungstür fragte ich: »Wann wollte Aziza denn wiederkommen?«
»In zwei Wochen, glaube ich«, sagte ihr Vater.
»Vielen Dank«, sagte ich. »Und entschuldigen Sie bitte noch mal meinen Aufzug.«
»Kein Problem.«
Ich verabschiedete mich hastig und verließ die Wohnung. Gerade als ich aus der Tür ging, kam von oben der Kellner aus dem Karthago herunter. Er guckte mich verwundert an.
»Hallo, Rami«, rief Azizas Mutter. »Und Tschüss, Natischa.« Sie schloss die Tür.
»Ach, du«, sagte Rami, als er mich erkannte. »Du warst doch vorgestern bei uns im Restaurant.« Seine schönen dunklen Augen musterten mich misstrauisch. »Was machst du hier? Bist du mir etwa gefolgt?« Wir stiegen nebeneinander die Treppe hinunter.
»Nein«, erwiderte ich. »Ich habe im Restaurant nicht die Wahrheit gesagt. Ich bin die Schwester von Azizas Freund.«
Rami stutzte. Sein Gesicht verzog sich. Schnell redete ich weiter: »Und mein Bruder ist einfach verschwunden. Er hat uns nicht erzählt, wohin er fährt und dass er Aziza begleitet, während sie für ihre Diplomarbeit recherchiert. Das haben mir gerade ihre Eltern gesagt.«
Rami blieb stumm und schaute grimmig geradeaus. Erst als wir draußen auf der Straße standen, stieß er wütend hervor: »Dein Bruder ist ein Arschloch.«
»Was?«, fragte ich erstaunt. »Wieso?«
»Dein Bruder setzt meine Cousine unter Drogen.«
Ich starrte ihn an. »Was?«
»Wusstest du das etwa nicht?«
»Nein«, sagte ich und mir schwand der Boden unter den Füßen. »So was macht mein Bruder nicht.«
»Ich würde sagen, dann kennst du ihn nicht.« Rami blieb an einem Fahrrad stehen und schloss es auf. »Aber du kannst deinem
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