Gefaehrliche Gefuehle
Hocke gegangen war und den Zylinder hinter dem Stoff zwischen den Beinen des Tischgestells verstaute. Als ich wieder auftauchte, sah ich, wie Philipp auf einen Mann zusteuerte, der an der Bar stand. Die beiden unterhielten sich kurz. Der Mann ließ Philipp stehen und machte einen sehr unzufriedenen Eindruck. Philipp steuerte die Toiletten an. Ich löste mich von dem Stand und schlenderte dem Mann hinterher, der zu einer Dreiergruppe Männer ging.
»… vorübergehender Engpass«, hörte ich Mann 1 im Vorbeigehen sagen.
»Das gibt es doch nicht«, sagte Mann 2.
»Fuck«, entfuhr es Mann 3. »Und jetzt?«
»Jetzt müssen wir wohl ohne spielen«, sagte Mann 1.
»Fuck«, wiederholte Mann 3.
Es schien mir ganz so, als ob Philipp sein Gehirndoping nicht nur an Studenten vertickte, sondern auch an Golfspieler.
Ich wartete im Vorraum der Toilette auf ihn. Als er rauskam, holte er gerade sein Handy raus und checkte seine Nachrichten. So sah er mich zunächst nicht. Er sah unheimlich ungesund aus, graue Gesichtsfarbe, tiefe Augenringe, rote Nase. Er schniefte.
»Frische Luft und ein Glas Milch würden dir mal guttun«, sprach ich ihn an.
»Honigmund«, sagte Philipp aufgekratzt. »Ich habe bald den Eindruck, du verfolgst mich.«
»Spar dir das Gesülze«, fuhr ich ihn an. »Du kriegst deine Tasche wieder.«
Ein Blitz durchzuckte ihn. Mit zwei Schritten war er bei mir und starrte mich mit seinen leblosen wässrig blauen Augen an.
»Das wird aber auch mal Zeit«, sagte er heiser. Obwohl es so kühl war, schwitzte er plötzlich. »Wann?«
»Nächste Woche.« Ich würde ihm jetzt nicht auf die Nase binden, dass ich gar nicht wusste, wo sie war.
»Ist sie noch komplett oder hat dein Bruder, dieses Arschloch, mein Zeug verschleudert?«
»Nein«, behauptete ich. »Es ist noch alles da.«
»Das will ich für dich hoffen.« Er fing an zu lachen, was aber schnell in einen Hustenanfall überging. »Da lässt dieses Arschloch seine kleine Schwester den Dreck aufkehren, den er gemacht hat. Er ist ja noch ein mieserer Sack, als ich gedacht hatte.«
»Ich melde mich«, sagte ich und wandte mich zum Gehen.
»Beeil dich besser«, rief er mir hinterher. »Die Russen sind schon ziemlich ungeduldig.« Und er lachte keuchend.
15
G uckt mal«, sagte meine Mutter am nächsten Morgen beim Frühstück. »Hier ist ein Bild von dir, André! Und eines von Silvy, Lola und Marie.« Sie schwenkte die Sonntagszeitung zu uns, so dass wir die Fotos sehen konnten.
»Spendenrekord beim diesjährigen Weihnachtsgolfturnier«, las ich. »Fleischfabrikant André Sander bedenkt Krankenhaus mit großzügiger Schenkung. Die guten Feen sammeln fleißig für kranke Kinder.«
»Da hätten die dich ruhig mit drauflassen können«, meinte meine Mutter. »Immerhin hast du auch eine schöne Summe gesammelt.«
1450 Euro, um genau zu sein.
»Ach nee, danke«, wehrte ich ab. »Auf so was lege ich keinen Wert.«
Mein Vater nickte mir anerkennend zu. »Würde ich auch nicht, wenn ich mich nicht um mein Geschäft kümmern müsste«, sagte er.
Als der Fotograf das Gruppenfoto hatte machen wollen, hatte Silvy darauf bestanden, dass es korrekter wäre, wenn die ehrenamtlichen Helfer drauf wären, die so viel Freizeit für das Krankenhaus opfern, und nicht alle, die mal eben für eine halbe Stunde reinschneien. Dabei hatte sie mich abfällig angesehen. »Kein Problem«, hatte ich generös gesagt und war froh gewesen, dass ich mir nicht selbst eine Ausrede hatte ausdenken müssen, warum ich nicht mit aufs Bild wollte. Ich konnte ja schlecht sagen, dass ich der Russenmafia nicht unbedingt ein aktuelles Fahndungsbild von mir liefern wollte.
»Aber die Zusammenarbeit mit den dreien hat doch gut geklappt, oder?«, fragte meine Mutter mit forschendem Blick. Ich starrte auf mein Frühstücksei.
»Ja«, sagte ich. Bis auf die kleine Tatsache, dass sie mich beschissen hatten. »Hört mal«, wechselte ich das Thema. Ich atmete tief ein und sagte: »Ich würde gerne heute Enzo besuchen.«
Meine Eltern warfen sich einen Blick zu, mein Vater stellte seine Kaffeetasse ab und sagte: »Nein, Natascha.«
»Aber wieso nicht?«, brauste ich auf. »Er ist mein Freund, ob ihr das wollt oder nicht.«
»Ja, das verstehen wir«, sagte meine Mutter. »Trotzdem ist es so, dass dein Vater und ich …« Sie biss sich auf die Lippen und sah meinen Vater an.
»Wir werden eine Lösung finden, Natascha«, übernahm er das Gespräch. »Aber nicht heute.«
»Ihr könnt aber nicht
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