Gefaehrliche Gefuehle
Polizei, okay? Das habe ich bisher nur nicht gemacht wegen dir. Aber wenn du dich weiter so benimmst, als ginge dich der Mist, den du verbockt hast, nichts an, dann werde ich es auf jeden Fall tun. Ist das klar?«
»Mann, was bist du denn auf einmal so unentspannt?«
»Ist das klar, Bastian?«, wiederholte ich drohend.
»Ja, ist klar«, brummte er. Und es wirkte: Noch am gleichen Abend bekam ich eine E-Mail von ihm. Jetzt konnte ich ihn wenigstens kontaktieren. Er sollte sich nicht vor allem drücken. Ich war ja bereit, ihm zu helfen. Aber wenn es zu brenzlig würde, dann würde ich es auf keinen Fall alleine durchziehen.
Die ganze Nacht überlegte ich, wie ich herausfinden könnte, wo dieser Dimitri war. Aber leider stand die Russenmafia nicht im Telefonbuch. Das Zweite, was mich vom Schlafen abhielt, war die Frage, wie Philipp tatsächlich gestorben war. War es wirklich ein Herzinfarkt oder doch ein Mord gewesen? Es gäbe nur einen Weg, das rauszufinden. Indem ich Philipps Eltern überzeugte, eine Autopsie machen zu lassen. Shit. Von Besuchen bei trauernden Eltern hatte ich eigentlich ziemlich die Nase voll. Aber ich konnte doch nicht einfach aufgeben, nur weil irgendwas unbequem war. Wenn ich die Wahrheit rausfinden wollte, dann musste es wohl sein. Schweren Herzens beschloss ich also, nach der Schule Philipps Familie aufzusuchen. Natürlich würde ich ihnen nicht auf die Nase binden, in welchen Schwierigkeiten Philipp tatsächlich gesteckt hatte. Ich würde es auf die Er-war-noch-so-jung-bitte-helfen-Sie-mir-begreifen-Methode versuchen.
Ich präparierte mich mit einem schwarzen Pullover und einer schwarze Hose und nahm meinen knallroten Schal mit, damit es in der Schule nicht so wirkte, als ob ich Trauer trug. Der Schultag zog sich endlos zäh hin. Nur der Kostümwettbewerb-Wahlkampf zwischen Kim und Jennifer und die Recherche nach Philipps Adresse hielten mich auf Trab. Ich rief bei der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät an, was mich aber nicht weiterbrachte, da es acht Philipps im Bachelorstudiengang gab. Doch bei der Studienberatung landete ich einen Treffer, als ich das nette Mädel am Telefon, das laut Internetseite Stefanie Klatt hieß, darauf hinwies, dass der Philipp, den ich suchte, den Spitznamen Dr. House hatte.
»Ach, Philipp Herrndorf meinst du«, sagte sie.
»Ja, genau«, rief ich dankbar. Leider hatte sie die Adresse nicht. Oder wollte sie mir nicht geben. Also rief ich beim Prüfungsamt an, gab mich als Stefanie Klatt von der Studienberatung aus und sagte, Philipp Herrndorf hätte um Infos gebeten, aber seine Adresse nicht hinterlassen und ob das Prüfungsamt sie mir geben könnte, damit ich den Umschlag endlich loswerden könnte. Ich ließ noch einige Bemerkungen über die Stresswirkung eines überfüllten Schreibtisches folgen und die Dame im Prüfungsamt meinte lachend, ja, das kenne sie. Dann gab sie mir die Adresse.
Nach der Schule fuhr Hedi mich dorthin. Langsam gewöhnte ich mich an die schweigende Person, deren Zurückhaltung ich zwar nicht verstand, aber zu schätzen gelernt hatte. Immerhin war ich nicht gezwungen, mich dauernd vor ihr zu rechtfertigen. Und das war in Zeiten von Giftmord und illegalem Medikamentenhandel ziemlich viel wert.
Philipps Familie wohnte in einem großen Backsteinbau im Villenviertel. In der Einfahrt stand Philipps Porsche. Der Porsche, den Söderberg nicht auf Spuren hatte untersuchen wollen. Ich legte die Hände seitlich an die Schläfen, um besser hineinsehen zu können. Der Aschenbecher quoll über. Ein paar CDs lagen auf dem Beifahrersitz. Eine BigMac-Schachtel. Eine alte Zeitschrift. Dann entdeckte ich im Fußraum vor dem Fahrersitz eine Flasche Wasser ohne Deckel. Ein letzter Rest Wasser war noch drin. Sofort hatte ich die Szene vor Augen, wie Philipp trank und die Flasche fallen ließ, als die Wirkung des Giftes einsetzte. Ich überlegte einen Moment und kam zu dem Schluss, dass das eine ziemlich gute Theorie war. Jetzt musste ich nur noch das Beweisstück sichern. Doch in dem Moment ging die Haustür auf und ein unterwürfig nickender Mann, Typ Kundenvertreter, verabschiedete sich von einem untersetzten weißhaarigen Mann im Zweireiher mit goldenen Knöpfen, der mich sofort fixierte. »Was machen Sie da?«, rief er mir dröhnend zu. Der Vertreter kam an mir vorbei, auf der Aktenmappe unter seinem Arm war ein großes goldenes Kreuz abgebildet, unter dem der Name Kolb stand. Dieses Firmenlogo kannte ich. Es war von einem
Weitere Kostenlose Bücher