Gefaehrliche Gefuehle
durchdrehten, weil sie unbedingt gewinnen wollten.
»Beknackt«, sagte sie und wischte auf dem Touchpad herum. Und weil sie plötzlich so traurig wirkte, rief ich: »Hey, ich habe eine Idee. Du kommst mit mir mit! Du gehst als Kapitän Ahab und ich als Steuermann Starbuck. Niemand wird Ahab so überzeugend spielen können wie du. Und dann gewinnen wir zusammen.«
Sie warf mir einen komischen Blick zu und sagte nichts.
»Kennst du Moby Dick?«, fragte ich.
»Hab ich schon mal im Fernsehen gesehen«, murmelte sie.
Sie legte sich zurück und schloss die Augen. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, ihr vorzuschlagen, als wahnsinniger Schiffskapitän zu gehen, der blind vor Hass den Wal jagt, wegen dem er das Bein verloren hat.
»War das blöd von mir?«, fragte ich zerknirscht.
Aber sie antwortete nicht mehr. Ich glaubte, sie wäre eingeschlafen, und schlich mich aus dem Zimmer. Ihre Mutter kam mir im Flur entgegen.
»Und, wie war es?«, fragte sie besorgt.
»Okay. Sie schläft jetzt, glaube ich. Darf ich Sie was fragen?«
Martina Terbrüggen schaute nervös zur Tür.
»Wie hat Rebecca ihr Bein verloren?«, fragte ich.
»Wieso, was hat sie gesagt?« Sie schaute erschrocken und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Und obwohl meine Neugier normalerweise meine Vernunft jederzeit übertrumpfte, legte ich ihr die Hand auf den Arm und sagte: »Ach, nicht so wichtig. Wenn Rebecca möchte, komme ich auch wieder, okay?«
»Vielen Dank«, sagte sie und eine Träne stahl sich ihre Wange herab.
24
W as machst du denn hier?«, fragte Silvy erstaunt, als ich ihr im Foyer über den Weg lief.
»Ich war noch mal bei Rebecca«, sagte ich. Silvy verzog ihr Gesicht und bekam ein fuchsartiges Aussehen. »Wieso das denn?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Weil sie mich sehen wollte.«
»Was?«, stieß sie überrascht hervor, dann fing sie sich wieder. »Das hättest du mit mir absprechen müssen, wenn du weiterhin mitmachen willst«, sagte sie. »Ich bin schließlich die Koordinatorin des Feendienstes. Und überhaupt.« Sie zeigte angewidert auf meine Zivilkleidung. »Ohne deinen offiziellen Feenkittel kann ich dir den Einsatz nicht gutschreiben.«
»Keine Sorge, Silvy. Das war ein reiner Privatbesuch.«
Sie schnaubte. »Das glaubst du doch selbst nicht. Niemand besucht dieses Biest freiwillig.«
»Tja, glaub es oder lass es«, sagte ich ruhig. In dem Moment näherten sich Frau Dr. Kern und Nicole, die Mutter von Justus.
»Natascha«, rief Frau Dr. Kern und kam jovial lächelnd auf mich zu. »Ich habe gehört, dass du einen guten Draht zu Rebecca hast. Das ist wirklich außergewöhnlich. Und sehr wichtig für das Mädchen!« Sie schüttelte mir die Hand.
»Gut gemacht.« Nicole lächelte mich an, während Silvy hassvergiftete Pfeile auf mich abschoss und sich dann zu Wort meldete. »Ich habe mir gleich gedacht, dass Natascha gut mit Rebecca zurechtkommt. Nur deswegen habe ich sie als Gute Fee ausgewählt. Eine gute Koordinatorin weiß eben, wer mit wem zusammenpasst«, prahlte Silvy. »Und nachdem ich Natascha noch ein paar Tipps im Umgang mit Rebecca gegeben hatte, hat sie es ja auch hinbekommen.«
»Ja, das war super von dir, Silvy«, schaltete ich mich ein. »Rebecca hat auch nach dir gefragt. Sie möchte mehr Zeit mit dir verbringen. Du sollst gleich zu ihr gehen.« Ich schaute Silvy unschuldig an, aber sie kochte. Selbst schuld, wenn sie solche Lügen erzählte.
»Toll, Silvy«, sagte Frau Dr. Kern und klopfte ihrer Tochter auf die Schulter. »Ihr beiden sorgt dafür, dass es für sie wieder aufwärtsgeht! Das lobe ich mir.« Silvy lächelte etwas verkrampft.
»David«, rief Frau Dr. Kern plötzlich und winkte ihren Assistenten herbei, der gerade aus dem Aufzug stieg. Sein dunkelbraunes dichtes Haar glänzte, sein Gang strotzte vor Energie, sein Lächeln strahlte Selbstbewusstsein aus. Ich bemerkte, dass die drei Frauen neben mir sofort auf ihn reagierten. Silvy befeuchtete die Lippen und richtete sich auf. Presste ihre Brust in ihrem himmelblauen Kittel nach vorne. Nicole schob eine Strähne hinter ihr Ohr. Frau Dr. Kern rief: »David, haben Sie die Redakteurin von RTL angerufen? Die wollen doch eine Story über die Guten Feen machen. Das muss noch vor Weihnachten sein. Das ist einfach die ertragreichste Zeit im Jahr, was Spenden angeht.«
»Ich habe eine Nachricht auf ihrer Mailbox hinterlassen«, sagte er mit wohltönender Stimme, die mit Leichtigkeit den Raum füllte. »Sie wird sicher heute noch
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