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Gefährliche Geliebte

Gefährliche Geliebte

Titel: Gefährliche Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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für ein komisches Gefühl!« Sie lachte.
    Ich ging nun mit Izumi seit gut einem Jahr, aber dieser Nachmittag war ohne Zweifel der glücklichste, den wir überhaupt zusammen verbrachten. So nackt hatten wir nichts voreinander zu verbergen. Ich hatte das Gefühl, mehr denn je über sie zu wissen, und sie muß genauso empfunden haben. Wir brauchten keine Worte und Versprechen; es mußte sich nur stetig eine kleine Wirklichkeit zur anderen gesellen.
    Lange blieb Izumi reglos liegen, den Kopf an meine Brust geschmiegt, als lausche sie meinem Herzschlag. Ich streichelte ihr Haar. Ich war siebzehn, gesund, an der Schwelle zum Mannsein. Wundervoll ist das einzige Wort für meine Empfindungen.
    Gegen vier - Izumi wollte sich gerade wieder anziehen - klingelte es an der Tür. Anfangs kümmerte ich mich nicht darum. Ich hatte keine Ahnung, wer das sein konnte; wenn ich nicht aufmachte, würde der Betreffende sicher bald die Lust verlieren und gehen. Aber es klingelte beharrlich immer weiter. Verdammt, dachte ich.
    »Sind deine Eltern zurück?« fragte Izumi und erblaßte. Hastig raffte sie ihre Sachen zusammen.
    »Keine Angst. Sie können unmöglich schon so früh zurück sein. Und sie haben einen Schlüssel, da würden sie doch nicht klingeln.«
    »Meine Schuhe!« sagte sie.
    »Schuhe?«
    »Meine Schuhe stehen unten in der Diele.«
    Ich streifte mir rasch meine Sachen über, stürzte hinunter und warf ihre Schuhe in das Schränkchen. Als ich die Haustür öffnete, stand da meine Tante. Die jüngere Schwester meiner Mutter, die ungefähr eine Zugstunde entfernt wohnte und uns von Zeit zu Zeit besuchte.
    »Was in aller Welt treibst du eigentlich? Ich klingle seit einer Ewigkeit«, sagte sie.
    »Ich hatte Kopfhörer auf, darum habe ich dich nicht gehört«, erwiderte ich. »Vater und Mutter sind nicht da - sie sind zu einer Gedächtnisfeier gefahren. Vor heute nacht sind sie bestimmt nicht zurück. Aber das weißt du doch, oder?«
    »Sie haben's mir gesagt. Ich hatte in der Gegend etwas zu erledigen, und ich wußte, daß du zu Hause bist und lernst, und da habe ich mir gedacht, ich könnte dir was zu essen kochen. Ich habe schon eingekauft.«
    »Ich kann mir selbst Essen kochen. Ich bin schließlich kein kleines Kind mehr«, sagte ich.
    »Aber ich habe alles gekauft. Und du hast zu arbeiten, nicht wahr? Ich koche dir einfach etwas, während du lernst.«
    0 Gott, dachte ich. Ich wäre am liebsten auf der Stelle tot umgefallen. Wie sollte Izumi jetzt nach Hause kommen? Bei uns führte der einzige Weg zur Haustür durchs Wohnzimmer; und danach mußte man draußen am Küchenfenster vorbei, um zum Gartentor zu kommen. Natürlich konnte ich Izumi als eine Bekannte vorstellen, die kurz vorbeigeschaut hatte, aber offiziell mußte ich für eine schriftliche Prüfung büffeln. Wenn herauskäme, daß ich ein Mädchen bei mir gehabt hatte, dann wäre der Teufel los. Und ich konnte meine Tante schlecht bitten, meinen Eltern nichts davon zu erzählen. Meine Tante war zwar nicht bösartig, aber Geheimnisse für sich zu behalten gehörte entschieden nicht zu ihren Stärken.
    Während meine Tante in der Küche stand und ihre Einkäufe aus den Tüten holte, brachte ich Izumi ihre Schuhe nach oben. Sie war vollständig angezogen. Ich erklärte ihr die Situation.
    Sie wurde kreidebleich. »Und was in aller Welt soll ich jetzt tun? Wenn ich hier nicht wieder rauskomme? Du weißt doch, daß ich jeden Abend zum Essen zu Hause sein muß. Sonst kann ich mich auf was gefaßt machen!«
    »Keine Angst. Das kriegen wir schon hin. Wir denken uns schon etwas aus«, sagte ich, um sie zu beruhigen. In Wirklichkeit aber war ich so ratlos wie sie.
    »Und ich kann die eine Strumpfhalterschließe nicht finden. Ich hab schon überall gesucht.«
    »Deine Strumpfhalterschließe?« fragte ich.
    »Ein kleines Ding aus Metall, ungefähr so groß.«
    Ich durchsuchte das ganze Zimmer, vom Fußboden bis zum Kopfende meines Bettes, aber ich konnte das Ding nirgends finden.
    »Tut mir leid. Könntest du nicht, nur dieses eine Mal, ohne Strümpfe gehen?« fragte ich.
    Ich ging in die Küche, wo meine Tante gerade dabei war, Gemüse zu schnippeln. Wir brauchen Salatöl, sagte sie und bat mich, rasch loszugehen und welches zu kaufen. Ich konnte mich schlecht weigern, also nahm ich mein Rad und fuhr zum nächsten Geschäft. Draußen wurde es schon langsam dunkel. Wenn das so weiterging, konnte Izumi noch ewig bei mir festsitzen. Ich mußte etwas unternehmen, bevor meine Eltern

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