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Gefährliche Geliebte

Gefährliche Geliebte

Titel: Gefährliche Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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wieder. Shimamotos Körper. Ihr nackter Körper, mit geschlossenen Augen vor dem Ofen liegend, und jedes Detail: ihr Hals, ihre Brüste, ihre Flanken, ihr Schamhaar, ihre Vulva, ihr Rücken, ihre Taille, ihre Schenkel. All dies sah ich übernah, überdeutlich. Deutlicher und näher, als wenn sie Wirklichkeit gewesen wären.
    In dem kleinen Raum allein, spürte ich bald, daß diese überklaren Halluzinationen mich in den Wahnsinn trieben. Ich flüchtete ins Freie und streifte ziellos umher. Schließlich ging ich in den Club und rasierte mich auf der Herrentoilette. Ich hatte mir den ganzen Tag nicht das Gesicht gewaschen. Und ich trug immer noch die Sachen vom Vortag. Meine Angestellten sagten nichts, aber ich spürte ihre befremdeten Blicke. Würde ich jetzt nach Hause fahren und Yukiko gegenüberstehen, dann würde ich alles gestehen, das wußte ich. Daß ich Shimamoto liebte, die Nacht mit ihr verbracht hatte und im Begriff gewesen war, ihretwegen alles wegzuwerfen - mein Heim, meine Töchter, meine Arbeit.
    Ich hätte Yukiko alles erzählen sollen, das wußte ich. Aber ich konnte nicht. Nicht in dein Zustand. Ich war nicht mehr fähig, richtig von falsch zu unterscheiden oder auch nur zu begreifen, was mit mir geschehen war. Also fuhr ich nicht nach Hause. Ich ging in den Club und wartete auf Shimamoto, obwohl mir völlig klar war, daß ich vergeblich warten würde. Zuerst vergewisserte ich mich, daß sie nicht in der anderen Bar war, dann setzte ich mich an die Theke des Robin's Nest und wartete, bis die Bar schloß. Ich sprach mit ein paar Stammgästen, aber ihre Stimmen waren nicht mehr als ein Rauschen im Hintergrund. Ich gab die Laute von mir, die sich für einen Zuhörer geziemten, und hatte währenddessen nur Shimamotos Körper im Sinn. Ihre Vagina, die mich so sanft empfangen hatte. Ihre Stimme, als sie meinen Namen geschrien hatte. jedesmal, wenn das Telefon klingelte, hämmerte mein Herz.
    Auch nachdem die Bar geschlossen hatte und alle heimgegangen waren, blieb ich an der Theke sitzen und trank. Aber wieviel ich auch trank, ich wurde einfach nicht betrunken. Je mehr ich trank, desto klarer wurde sogar mein Kopf. Als ich nach Hause kam, war es zwei, und Yukiko war auf und hatte auf mich gewartet. Ich konnte unmöglich schlafen. Ich setzte mich allein an den Küchentisch und trank Whisky. Yukiko kam mit ihrem eigenen Glas herein und setzte sich zu mir.
    »Leg Musik auf«, sagte sie. Ich nahm die erstbeste Kassette, schob sie in den Recorder und drehte die Lautstärke herunter, damit die Kinder nicht wach wurden. Eine Zeitlang saßen wir uns am Tisch schweigend gegenüber und tranken Whisky.
    »Du hast eine andere, die du magst, stimmt's?« fragte Yukiko und sah mir in die Augen.
    Ich nickte. Ihr Ton war ernst und entschieden. Wie oft mochte sie sich diese Worte im Geist vorgesagt haben, um sich auf diesen Augenblick vorzubereiten?
    »Und du magst diese andere wirklich. Du vergnügst dich nicht nur mit ihr.«
    »Das stimmt«, sagte ich. »Es ist kein bloßer Seitensprung. Aber es ist auch nicht das, was du dir vorstellst.«
    »Woher weißt du denn, was ich mir vorstelle?« fragte sie. »Glaubst du etwa tatsächlich, du wüßtest, was ich denke?«
    Ich brachte kein Wort hervor. Auch Yukiko schwieg. Die Musik spielte leise vor sich hin. Vivaldi oder Telemann, einer von den beiden. Das Stück kam mir nicht bekannt vor.
    »Ich glaube eher, du ahnst nicht einmal, was ich denke«, sagte Yukiko. Sie sprach langsam und artikulierte deutlich jedes Wort, wie wenn sie den Kindern etwas erklärte. »Ich glaube, du hast nicht die blasseste Ahnung.«
    Als sie sah, daß ich darauf nichts erwidern würde, hob sie ihr Glas und trank. Und schüttelte ganz langsam den Kopf. »So dumm bin ich nicht, und ich hoffe, das weißt du. Ich lebe mit dir zusammen, schlafe mit dir. Mir ist schon seit einiger Zeit klar, daß du eine andere magst.«
    Ich sah sie schweigend an.
    »Ich mach dir keine Vorwürfe«, fuhr sie fort. »Wenn du eine andere liebst, läßt sich daran nicht viel ändern. Wen man liebt, liebt man nun einmal. Ich bin dir nicht genug, das weiß ich. Wir sind gut miteinander ausgekommen, und du hast gut für mich gesorgt. Ich bin mit dir sehr glücklich gewesen. Ich glaube, du liebst mich noch immer, aber um die Tatsache, daß ich dir nicht genug bin, kommen wir nicht herum. Ich wußte, daß es einmal so kommen würde. Ich mach dir also keinen Vorwurf daraus, daß du dich in eine andere Frau verliebt hast. Ich bin auch

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