Gefährliche Glut
gleich treffen.
Kaum eine Viertelstunde später wurde Josh von Marias weiblicher Verwandtschaft gebührend bewundert und auf eine Weise herumgereicht, die Julie anfangs ziemlich nervös machte. Aber dann ermahnte sie sich zu mehr Gelassenheit und erinnerte sich daran, dass ein derart ungezwungener Umgang mit Kindern hier wahrscheinlich ganz normal und vielleicht sogar wünschenswert war. Bestimmt wäre es unhöflich, Anstoß daran zu nehmen.
Zu Beginn des Umzugs hielt Julie den Kleinen wieder in ihrem Arm. Josh schaute sich hellwach und aufmerksam um, obwohl er natürlich noch nicht verstand, was um ihn herum vorging. Der historische Zug entfaltete eine wunderbare Pracht, wie Julie zugeben musste. Als die Herolde in scharlachrot-goldenen Wappenröcken aufmarschierten und kräftig in ihre Fanfaren bliesen, schrak sie zusammen. Ihnen folgten „Männer in Waffen“, die „Gefangene“ mit sich führten, und den Schluss des Zuges bildeten die Lastwagen mit den fröhlich singenden und tanzenden Einwohnern.
Als sich auf der anderen Seite des Platzes in der Menschenmenge eine kleine Lücke auftat, fiel Julies Blick auf ein junges Pärchen, das sich eng umschlungen hielt. Jetzt legte das Mädchen den Kopf in den Nacken und ließ sich lange und innig küssen. Dieser Anblick bewirkte, dass Julie sich auf einmal schrecklich einsam fühlte.
In diesem Moment entstand hinter ihr ein Gedränge. Irgendjemand rempelte Julie von hinten an, sodass sie ins Stolpern kam. Rocco streckte geistesgegenwärtig die Hand aus und hielt sie fest. Als sie sich entschuldigen wollte, schüttelte er nur den Kopf und legte ihr einen Arm fest um die Taille, bevor er sie an sich zog und leise sagte: „Bleib hier. Bei mir bist du sicher.“
Da Rocco sich mit seiner freien Hand bereits den Buggy geangelt hatte, blieb Julie nichts anderes übrig, als sich zu fügen.
Obwohl sie große Zweifel hegte, dass sie so dicht bei ihm wirklich sicher war. Zwar konnte sie jetzt nicht mehr stolpern, aber dafür bestand eine viel größere Gefahr. Der Duft seines Rasierwassers stieg ihr verlockend in die Nase. Sie wünschte sich, den Kopf zu wenden, damit sie diesen Duft tief in sich aufnehmen konnte. Aber würde ihr das dann genügen? Oder bereitete es nur den Boden für die nächste Versuchung? Zum Beispiel für den Wunsch, seine Lippen auf ihren zu spüren? Mit Herzklopfen stand sie da und spürte, wie sich heißes, drängendes Verlangen in ihrem Körper ausbreitete.
„Gefällt es dir hier?“, fragte Rocco ganz dicht an ihrem Ohr. Seine Hand lag beschützend auf ihrer Hüfte. Glücklicherweise ahnte er nicht, dass noch ganz andere Teile ihres Körpers nach seiner Berührung lechzten.
Nachdem der Umzug schließlich vorbei war und die Menschenmenge sich langsam zerstreute, wusste Julie nicht, ob sie froh oder traurig sein sollte, dass es keinen Grund mehr gab, die körperliche Nähe zwischen ihnen weiterhin aufrechtzuerhalten.
Am Spätnachmittag kehrten Julie, Rocco und Josh zum Auto zurück. Julie fand, dass es ein wunderschöner, ja fast magischer Tag gewesen war, den sie immer in Erinnerung behalten würde. Rocco schob mit der Rechten den Buggy, während er mit der Linken ihre Hand hielt, die er irgendwann genommen und nicht wieder losgelassen hatte. Ursprünglich nur, um ihr über ein Schlagloch zu helfen, doch dann war es dabei geblieben.
Doch als sie zurück in der Villa waren, verwandelte sich der wunderschöne Tag plötzlich in einen Albtraum: Und an die Stelle unbeschwerter Fröhlichkeit traten Fassungslosigkeit und Angst.
Ein Piepsen ihres Handys informierte sie, dass sie eine Nachricht hatte, was bei ihr ziemlich selten vorkam. Als sie auf ihr Display schaute, sah sie, dass ihr Anwalt ihr eine Nachricht auf den Anrufbeantworter gesprochen hatte. Da sie neugierig war, worum es ging, entschuldigte sie sich bei Rocco und trat einen Schritt beiseite, um ihre Mailbox abzuhören.
Die Nachricht war lang und kompliziert und zutiefst aufwühlend. Mit vor Angst ganz leerem Kopf hörte sich Julie alles gleich noch ein zweites Mal an, um sicherzugehen, dass sie auch wirklich nichts falsch verstanden hatte.
Der Anwalt informierte sie, dass ihre Eltern ein Jahr vor ihrem Tod eine Hypothek auf ihr Haus aufgenommen und Judy eine große Geldsumme gegeben hatten. Außerdem hatte sich ihr Vater offenbar zum gleichen Zeitpunkt eine Lebensversicherung auszahlen lassen, sodass jetzt für Julie und Josh kaum noch Geld übrig war.
Das Schockierendste kam
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