Gefährliche Glut
für immer festzuhalten.
„Du vielleicht nicht, aber es ist deine Pflicht, auch an Josh zu denken.“
„Das tue ich. Er soll nicht in dem Gefühl aufwachsen, dass wir es nötig haben, von wildfremden Menschen Almosen anzunehmen. Deshalb möchte ich von dir eine Aufstellung über alles, was du für uns ausgelegt hast, damit ich dir das Geld sofort nach Erhalt meiner Erbschaft zurückzahlen kann.“
„Das würde mir nicht mal im Traum einfallen“, gab Rocco zurück. „Das ist eine Beleidigung für einen Leopardi.“
Julie schaute ihn pikiert an. Und wer nahm Rücksicht auf ihre Gefühle? Das hätte sie ihn gern gefragt, aber sie wusste, dass sie keine Antwort erhalten würde. Rocco fand seinen Vater arrogant, aber er selbst war um keinen Deut besser. Arrogant, anmaßend und … ja … und umwerfend sexy.
Julie schob den unerwünschten Gedanken rigoros weg.
10. KAPITEL
Nur weil Maria nicht lockerlassen wollte, erklärte sich Rocco schließlich bereit, Julie und Josh zu dem feierlichen Umzug zu begleiten, der jedes Jahr in dem kleinen, etwa zehn Meilen entfernten Nachbarort stattfand. Das Ereignis, mit dem man den Frühling begrüßte und um eine gute Ernte bat, war einer der festlichen Höhepunkte des Jahres, bei dem die Einwohner des Städtchens auf Lastwagen kostümiert durch die Stadt fuhren.
Das Wetter präsentierte sich an diesem Tag von seiner besten Seite. Schon früh am Morgen war Julie von der Sonne geweckt worden, und die warme, nach Zitronen duftende Luft hob ihre Laune noch mehr.
Josh hatte Julie zur Feier des Tages eine neue Garnitur angezogen, die aus einer beigefarbenen Baumwollhose, einem taubenblau und gelb karierten Hemd sowie einem ebenfalls taubenblauen Pullover mit gelben Kanten bestand. Der Kleine sah zum Anbeißen aus und strahlte, als ob er das auch ganz genau wüsste.
Er saß in seinem Kindersitz auf der Rückbank des Wagens und plapperte fröhlich vor sich hin. Julie, die es sich neben Rocco auf dem Beifahrersitz bequem gemacht hatte, schaute lächelnd aus dem Fenster.
Rocco war schleierhaft, wie ihm ihre Schönheit anfangs hatte entgehen können. Immer wenn sie so lächelte wie jetzt, stockte ihm unweigerlich der Atem. Sie sah aus wie eine Frau, die sein Eigen zu nennen jeden Mann stolz machen konnte.
Sobald er den Gedanken in seinem Kopf formuliert hatte, runzelte er mehr als irritiert die Stirn. Himmel, was hatte das denn jetzt zu bedeuten? Das klang ja fast, als ob er … du liebe Güte, was sollte das? Ausgerechnet er, der sich geschworen hatte, sich nie an eine Frau zu binden? Alarmiert schob er den Gedanken beiseite und zwang sich, an etwas anderes zu denken.
Wenig später waren sie an ihrem Ziel angelangt. Julie entschlüpfte ein leiser Ausruf der Bewunderung, als sie die verwitterten alten Häuser mit ihren kleinen Fenstern sah, die fast wirkten, als ob sie aus den steilen Felsen erwüchsen.
„Die Stadt war früher eine arabische Festung“, begann Rocco in der vagen Hoffnung, dass sich seine Gedanken besser unter Kontrolle halten ließen, wenn er sich als Fremdenführer betätigte.
Während er den Wagen auf einem Grundstück vor der Stadt abstellte, das für den heutigen Massenansturm zu einem Parkplatz umfunktioniert worden war, fuhr er fort: „Die Gassen in der Altstadt sind ziemlich eng. Der Autoverkehr dort ist zwar nicht verboten, aber direkt unterstützt wird er auch nicht. An Festtagen wie heute und überhaupt im Sommer wimmelt es hier nur so von Touristen. Ein weiterer Publikumsmagnet sind die alten Thermalbäder, die dem Mythos nach der griechische Baumeister Daedalus nach seiner Flucht aus Kreta entworfen haben soll. Die Restaurierungsarbeiten, die größtenteils von meinem Vater finanziert werden, sollen noch in diesem Jahr abgeschlossen sein.“
„Das klingt spannend“, sagte Julie interessiert. Sie hielt Josh im Arm und wartete darauf, dass Rocco den Buggy aus dem Kofferraum holte.
Inmitten der Menschenmenge, die sich durch das Stadttor schob, hätte man sie für eine ganz normale Kleinfamilie halten können, die einen Ausflug machte – wären da nicht die neugierigen Blicke gewesen, die Rocco auf sich zog. Daraus glaubte Julie schließen zu können, dass die meisten Leute ihn erkannten und sich irgendwie ein bisschen eingeschüchtert fühlten.
Maria hatte ihnen geraten, sich den Umzug vom Kirchplatz aus anzusehen, weil man dort angeblich die beste Aussicht hatte. Und hier würden sie die Haushälterin samt weit verzweigter Familie dann auch
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