Gefährliche Ideen
hinzu. IndemSie darüber nachdenken, was Sie als legitimes Denkmaterial betrachten, und es dem gegenüberstellen, was Sie als ekelerregend oder dumm ansehen, bringen Sie Ihrem Verstand nur bei, sein vorhandenes Wissen besser zu nutzen. Wenn Sie hingegen die Grenzen dessen versetzen, was Sie als legitime Vorstellungswelt empfinden, erhöhen Sie den Wert des Ihnen bereits Bekannten.
Denken Sie beispielsweise an den Erwerb eines Automobils. Sie können zwischen verschiedenen Ausstattungsvarianten wählen: entweder ein riesiger Benzintank (= mehr vom bereits Vorhandenen) oder ein niedriger Verbrauch (= der Motor verwendet seine Ressourcen effizienter). Das Gleiche gilt für die Herangehensweise an den Denkprozess. Man kann beständig daran arbeiten, seine Aufnahmekapazität für Benzin zu erhöhen, sprich: sich darauf konzentrieren, mehr Informationen über mehr Dinge einzuholen, aber dies bringt nur selten überraschende Ergebnisse. Wer sich stattdessen darum bemüht, den Motor effizienter zu machen, also daran arbeitet, all das bereits erworbene Wissen nutzbar zu machen, erhöht die Wahrscheinlichkeit, etwas wirklich Neues zu erschaffen.
Die Ekelreaktion zeigt eine Art Ineffizienz in unserem Denken auf und damit eine Möglichkeit, unseren Kreativmotor zu frisieren.
Die Ekelreaktion zeigt eine Art Ineffizienz in unserem Denken auf und damit eine Möglichkeit, unseren Kreativmotor zu frisieren. Hier wird ersichtlich, weshalb Ekel so wichtig ist: Wenn wir dieser spezifischen Denkschranke entgegentreten können, fällt es uns leichter zu erkennen, auf welche andere Weisen wir unbewusst Dinge meiden, von denen wir annehmen, dass sie als legitime Themen des Kreativitätsdiskurses nicht infrage kämen. Konfrontiert man uns mit einem Ekelgefühl, so empfinden wir nicht nur eine leichte Irritation darüber, dass die Situation weniger angenehm ist als erwünscht, sondern ein sehr persönliches Unbehagen, das auf unser sehr persönliches Verlangen zurückgeht, bestimmte Dinge auszublenden. Dieser versperrte Zugang zu unserer eigenen Kreativität ist nicht nur eine von außen aufgezwungene Barriere, wie etwa im Falle einer bürokratischen Organisationoder eines niederträchtigen Vorgesetzten, sondern ein persönliches Hemmnis, das wir mit uns herumtragen und als gegeben hinnehmen.
Verkaufen – wie eklig!
Ein möglicher Pfad in Richtung Kreativität besteht also darin, den verschiedenen Mitteln entgegenzutreten, mit denen unser Gehirn sich selbst begrenzt, indem es Dinge als ekelerregend, anstößig oder unbehaglich kategorisiert. Als Beleg hierfür (weniger ekelerregend als die vorherigen, aber ebenso aussagekräftig) könnten wir auch die simple Tatsache heranziehen, dass viele Menschen den Verkauf von Gütern und Dienstleistungen, also das Überreden anderer Menschen, von ihnen zu kaufen, als recht unangenehm empfinden. Während die Unternehmenswelt verzweifelt nach guten Verkäufern sucht (und Kreativität beim Verkauf, einem äußerst wichtigen Gebiet), träumen die meisten jungen Menschen, die vor dem Sprung in den Arbeitsmarkt stehen, von ganz anderen Dingen. Diese Tatsache offenbart sich mir stets in besonders grellem Licht, wenn ich die Kunst der Entwicklung neuer Businesspläne unterrichte. Fast 100 Prozent (schon wieder diese Zahl!) aller Businesspläne oder Entwürfe beschäftigen sich ausschließlich mit dem Produkt und eventuell noch ein bisschen mit der vergnüglichen Strategieentwicklung. Der Umstand, dass aber irgendjemand die Routinearbeit des Verkaufens erledigen, also tatsächlich den Instrumentenkasten des Verkäufers in der freien Wildbahn herumschleppen muss, wird zumeist ignoriert. Wenn ich diese merkwürdige Tatsache anspreche, lautet die Antwort ohne Ausnahme: »Wir werden dafür Verkaufspersonal einstellen!«
Dies bedeutet, dass nahezu alle mir bekannten Businesspläne (und ich habe inzwischen recht viele gelesen) unter dem Handicap leiden, dass ihre Autoren – wie wir alle – dazu neigen, sich nicht eingehend mit Dingen zu beschäftigen, die ihnen unangenehm sind. Wenn man diesen Gedanken etwas weiterspinnt, dann heißt das, dass beinahe jeder mir bekannte Businessplan weniger kreativ ist, als er hätte sein können – aus dem einfachen Grunde, dass seine Erfinder von den Möglichkeiten, die außerhalb ihrer Komfortzone existieren, keinen Gebrauch gemacht haben. Wer Verkaufen abstoßend findet, der scheut davor zurück, selbst wenn es für den Erfolg des Unternehmens ausschlaggebend ist.
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