Gefährliche Ideen
zu arbeiten. Man würde nur selten etwas fertigbringen, da man in einem anhaltenden Wirbelwind der Ideenbildung gefangenwäre, mit wenig Raum für so etwas wie Reflexion oder Produktion.
Die Kehrseite der Kreativität
Natürlich haben kreative Menschen bei mir einen Stein im Brett, dennoch sollten wir die Augen vor den dunkleren Aspekten der Kreativität nicht verschließen. Wer mit Führungskräften spricht, deren Mitarbeiterteam aus Kreativen – beispielsweise Künstlern – besteht, wird feststellen, dass sie genauso oft über die Probleme reden, die mit der Leitung einer derartigen Organisation einhergehen, wie über die Vorteile. Ganz gleich ob man die Sache aus historischer oder wissenschaftlicher Perspektive betrachtet oder einfach die eigenen Erfahrungen heranzieht: Vieles spricht dafür, dass kreative Menschen oft egoistisch sind, ein schwieriges Temperament haben, ihre Projekte vielfach nur mit Mühe abschließen und verschiedene andere Macken aufweisen, die eine Zusammenarbeit mit ihnen erschweren. Mein Lieblingsschauspieler aller Zeiten, Klaus Kinski, war nach Bekunden aller, die ihm begegnet sind, ein außergewöhnlich kreativer Mensch. Die gleichen Leute erzählen allerdings auch, dass es irrsinnig schwer gewesen sei, mit ihm zusammenzuarbeiten, da er keinerlei Skrupel hatte, andere zu beschimpfen, die er für weniger kreativ und folglich minderwertig hielt, und er bei entsprechender Laune sogar bisweilen seinem Regisseur drohte, ihn umzubringen. Dies bedeutet nicht, dass alle kreativen Menschen unausgeglichen wären – das trifft ganz sicher nicht zu.
Doch sie sind nicht immer pflegeleicht oder nett oder brav – denn Kreativität ist das auch nicht!
Wenn CEOs den Wunsch äußern, dass ihr Unternehmen kreativer werden möge, dann muss man sich fragen: Meinen die daswirklich ernst? Natürlich wünschen sie sich mehr Kreativität, aber bloß nicht zu viel davon! Viele Leute innerhalb der Kreativitätsbranche sehen hierin einen Beweis, dass die Unternehmenswelt ohne Sinn und Verstand handele und das ganze Gerede von Kreativität unehrlich sei. Doch dies ist lediglich Ausdruck eines großen Missverständnisses sowohl von Unternehmensführung als auch von Kreativität. In Wirklichkeit nämlich
verstehen die meisten CEOs weitaus mehr von Kreativität als die meisten Kreativitätsexperten
. Sie mögen es vielleicht nicht in schöne Worte kleiden können und sind auch keine Meister in hübschen kleinen Spielchen mit allerlei Schnickschnack, doch dafür wissen sie genau, dass Kreativität viele verschiedene Facetten hat und die unterschiedlichsten Effekte hervorruft.
Vortragsredner, die sich auf das Thema Kreativität spezialisiert haben, stellen diese zumeist als problemfreien Ansatz dar, so als ob sich jede Idee schmerzfrei in die Geschäftsprozesse integrieren ließe und als ob keinerlei Störungen aufträten, wenn die eigenen Mitarbeiter ernsthaft versuchten, Kreativität als Arbeitsmethode einzusetzen. Die Führungskräfte hingegen wissen, dass dies nicht zutrifft und dass der Referent nicht ehrlich ist. Sie wissen darüber hinaus, dass der Referent keinerlei Verantwortung für seine Ausführungen übernehmen muss, alles Mögliche behaupten kann und anschließend einfach weiterzieht – zu seinem nächsten großen Auftritt. Wer von einer Bühne herunter spricht, kann alle von Kreativität verursachten Probleme mit ein paar vagen Hinweisen auf die Notwendigkeit von Wandel beiseite wischen.
Doch wenn Sie für ein Unternehmen verantwortlich sind, müssen Sie Ergebnisse liefern und dafür Sorge tragen, dass Versprechen auch eingelöst werden. Sie wissen dann auch, dass die Dinge nie so einfach liegen, wie es die Vortragsredner gerne hätten. Natürlich ist Inspiration etwas Positives und ein wenig mehr Kreativitätschadet nie, doch der CEO weiß nur zu gut:
Die Behauptung, dass Kreativität immer nur Nutzen hervorbringt, ist eine Lüge
.
Die richtigen Grenzen setzen
Das Schwierige ist dabei nicht die Entwicklung einer kreativeren Unternehmenskultur an sich. Dazu bedarf es gar nicht so viel: Fehler zulassen; interessante Projekte dafür belohnen, dass sie interessant sind, und nicht dafür, dass sie vorhersehbare Ergebnisse bringen; Mitarbeitern unterschiedliche Inputs und Erfahrungen verschaffen und ihnen genügend freie Zeit zur Verfügung stellen, um neue Ideen zu entwickeln. Viel schwieriger ist es, diese Kultur produktiv zu machen – dafür zu sorgen, dass das Unternehmen nicht nur lustige Idee
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