Gefährliche Ideen
häufiger resultierten große Sprünge aus einer Kooperation oder einer Kette kleinerer Entwicklungen. Dies unterstreicht gleichzeitig die Tatsache, dass kreative Organisationen nicht unbedingt diejenigen mit der höchsten Zahl an kreativen Individuen sind, sondern jene, in denen Gruppen von Menschen ihr Wissen und Talent zu einem größeren Ganzen verknüpfen.
Konflikte machen Spaß und sind konstruktiv
Die Erkenntnis hieraus lautet, dass sich die Energie und das Potenzial von Kreativität nicht ausschöpfen lassen, wenn man sich allein auf die Wirkung von Individuen konzentriert. Stattdessen richtet sich unser Blick nun darauf, wie kreative Spannungsfelder zwischen Menschen bewirken können, dass Bezugssysteme aufbrechen.An dieser Stelle kehren wir zum Thema Opposition und Widerstand zurück. Entstehen Synergieeffekte, wenn Menschen mit unterschiedlichen Sichtweisen zusammenkommen? Inwiefern ist ein solches Aufeinandertreffen produktiv?
Betrachten wir ein Beispiel. Stellen Sie sich vor, Sie wären Leiter eines Projektteams, das mit der Aufgabe betraut ist, bessere Technologien für die Trinkwasserreinigung in Entwicklungsländern zu entwickeln. Zu ihrem Team gehören verschiedene Experten, die auf ihrem jeweiligen Gebiet führend sind, sodass Sie zuversichtlich sein können, über das erforderliche Fachwissen zu verfügen. Doch bei der ersten Teamkonferenz geraten zwei der Experten in einen heftigen Streit, da sie sich uneins über die beste Vorgehensweise sind. Wie reagieren Sie auf diesen Dissens? a) Sie versuchen beide Parteien zu beruhigen und den Konflikt unter Kontrolle zu bringen, oder b) Sie warten ab, welche Ergebnisse der Konflikt bringt?
Wir gehen oft davon aus, dass Konflikte etwas sind, das gelöst werden muss. Demnach bestünde die Rolle von Führungskräften darin, Menschen dazu zu bewegen, sich zu benehmen und sich gegenseitig zu unterstützen. Doch wie produktiv ist dieses wechselseitige Applaudieren und die damit verbundene implizite Anerkennung all der unterschiedlichen fixen Ideen, die Individuen mit sich herumtragen? Ist es nicht sinnvoller, bestehende Vorstellungen ernsthaft oder sogar kontrovers zu diskutieren?
Gefährliches Heuern
Jerry Hirshberg, der bereits erwähnte Autodesigner, hat sich diese Erkenntnis zu Herzen genommen. In einem Profil seiner Führungsmethoden, veröffentlicht in der Zeitschrift
Fast Company,
wird er dahingehend zitiert, dass er »kreativen Abrieb« fördere und Mitarbeiter gerne »in divergenten Paaren« einstelle. Anstatt die Harmonie innerhalb seines Unternehmenszu optimieren, stellt er bewusst brillante Leute mit unterschiedlichen Perspektiven ein und erfreut sich an den Diskussionen, die daraus erwachsen. Wir könnten dies als
gefährliches Heuern
bezeichnen, da es mit der bequemen Vorstellung bricht, wonach die kreative Organisation ein Hafen der Ruhe und des Friedens sei. Durch sein offensives Eintreten für Reibung als notwendiges und produktives Element innerhalb einer kreativen Organisation hat Hirshberg sein Designstudio NDL in eines der Zugpferde kreativen Denkens entwickelt.
In diesem Buch haben wir uns immer wieder der Schwierigkeit gewidmet, unsere Denkschranken zu überwinden – insbesondere in Bezug auf die Neigung unseres Gehirns, Denkweisen zu verteidigen, die es als »natürlich« und legitim betrachtet. Dabei haben wir unser Augenmerk insbesondere auf Wege gerichtet, solche Beschränkungen in unserem eigenen Denken zu erkennen und daran zu arbeiten. Betrachten wir größere Einheiten wie etwa Gruppen von Individuen, so liegt die Möglichkeit, sich gegenseitig die Bezugsrahmen zu zerstören, auf der Hand – und natürlich ist es immer leichter, außerhalb der geheimen Schubladen eines anderen Menschen zu denken. So erklärt es sich, dass Konflikte innerhalb einer kreativen Gruppe nicht notwendigerweise ein großes Problem darstellen, wenngleich die Führungskraft dafür sorgen muss, dass diese Konflikte nicht ins Pathologische abdriften.
Aus demselben Grund muss jeder, der mit seiner Kreativität arbeitet, früher oder später erkennen, dass zu diesem Prozess auch die Bereitschaft gehört, anderen das Recht zuzugestehen, das eigene Denken zu hinterfragen und herauszufordern. In unseren früheren Beispielen, die von der Projektgruppe zur Trinkwasserreinigung oder Jerry Hirshbergs divergenten Paaren handelten, bedeutete dies, dass der Führungskraft die Aufgabe zufiel, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter gute Ideen einbringen
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