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Gefaehrliche Maskerade einer Lady

Titel: Gefaehrliche Maskerade einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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manchmal ist mein Vater mit mir ausgegangen. Er hat mich zum Klavierunterricht bei einer englischen Dame begleitet.“ Sie senkte den Kopf. „Aber wenn mich die Leute mit Alicia ansprachen, hat er sie nie korrigiert, und es auch mir verboten.“ Sie sah Rafe mit festem Blick an. „Aber das will ich nicht mehr. Ich will nicht mehr im Schatten einer Toten leben, und ich nehme nicht an, was Alicia zusteht.“
    Rafe nickte. Er glaubte ihr. Sie hatte ihm immer wieder versichert, Alicia sei tot. Sie sei Ayisha. Es war nicht ihre Schuld, dass er ihr nicht geglaubt hatte. Sie war so ehrlich wie möglich gewesen und hatte nur zum Selbstschutz gelogen. Niemand hatte sie heute zu einem Geständnis gezwungen, nur ihr Ehrgefühl und ihr Stolz.
    Und dann schoss ihm noch eine Frage in den Sinn. „Warum hast du dich nach dem Tod deiner Eltern nicht ans Britische Konsulat gewandt?“
    „Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte.“ Sie wich seinem Blick aus, und Rafe wusste, dass sie ihm noch etwas verschwieg.
    Er nickte ihr aufmunternd zu.
    „Dort hätte man mir nicht geholfen.“
    „Warum nicht?“
    Ayisha hüllte sich in die Bettdecke, stand auf und trat ans Bullauge. Sie blickte lange aufs Meer hinaus. Rafe dachte schon, sie würde gar nicht mehr weitersprechen, doch dann atmete sie tief durch und setzte sich an den kleinen Tisch. „Als mein Vater schon tot war und meine Mutter im Sterben lag, sind Banditen in unser Haus eingedrungen.“
    „Haben die Diener sie nicht verjagt?“
    „Die Diener sind alle geflohen, als die Pest bei uns ausbrach.“
    „Dann warst du ganz allein mit deinen sterbenden Eltern?“
    Sie nickte knapp.
    „Ich habe gehört, dass euer Haus ausgeraubt wurde.“
    Sie zeichnete mit dem Finger verschlungene, unsichtbare Muster auf die Tischplatte. „Sie sind in unser Haus eingedrungen und haben alle Wertsachen gestohlen. Aber eigentlich haben sie nur die weiße Kindjungfrau gesucht.“ Sie hob den Blick. „Damit meinten sie mich.“
    Rafes Kinnpartie spannte sich. Damals war sie erst dreizehn Jahre jung und noch ein Mädchen. Wie konnte ihr Vater sie nur so schutzlos zurücklassen? Ein pflichtbewusster Mann hätte rechtzeitig dafür Sorge getragen, Beschützer für seine Tochter zu finden. „Wie bist du entkommen?“, fragte er leise.
    Ein Funke blitzte in ihren Augen. „Das errätst du nie.“
    „Spann mich nicht auf die Folter.“
    „Ich bin unter das Bett meiner Mutter gekrochen.“

„Bitte?“
    „Ja. Es war ein Wunder, dass sie mich nicht gefunden haben, aber meine Mutter lag röchelnd über mir im Sterben und hat mich so gerettet. Sie hat die Augen aufgeschlagen und die Räuber, die sie ja für tot gehalten hatten, verflucht. Daraufhin haben sich die Diebe furchtbar erschreckt.“ Sie lächelte freudlos. „Sie haben das Zimmer nicht weiter durchsucht.“
    Durch das offene Bullauge drang feierlich getragene Musik hinein. Ein Trio spielte Geige, Flöte und Schifferklavier.
    „Was ist das?“, fragte sie und lauschte.
    Rafe hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Ayishas Worte hatten ihn aufgewühlt. „Vermutlich die Trauerfeier.“
    „Jetzt schon?“
    „Die Leichen müssen bestattet werden, bevor die Hitze einsetzt.“ „Ich will zuhören.“ Sie schlang die Decke enger um sich und trat wieder ans Bullauge.
    Rafe wollte Ayisha noch so viel fragen, doch das musste warten. Er schwang sich aus dem Bett, stieg in seine Hosen und stellte sich neben sie. Von den Gebeten waren nur Wortfetzen zu hören, das meiste wurde vom Wind verschluckt. Ein vielstimmiger rauer Männerchor sang.
    Die Namen der Toten wurden verlesen, einer nach dem anderen. Man hörte das Aufklatschen im Wasser, als jeder Leichnam in die Fluten eintauchte. „Übergeben wir die sterbliche Hülle der See.“ „Keith Carter, Gianni Astuto, Zaid ElMazri, Antonio Palermo.“ Rafe kannte keinen der Namen, aber Ayisha kannte jeden und weinte um die Toten.
    Die eintönig leiernde Stimme des Vikars fuhr fort: „Sergio Candeloro.“
    „Er hat erst vor sechs Monaten geheiratet. Mein Gott, die arme Frau“, flüsterte Ayisha.
    „Tommy Price, Vince Cafari, George Zaloumis.“
    „Auch George.“ Sie seufzte. „Erinnerst du dich? Der junge Grieche mit dem spärlichen Milchbärtchen?“
    „Nein.“ Rafe hatte nur Augen für Ayisha gehabt und nicht auf junge Burschen mit einem Milchbart geachtet.
    „Die anderen haben ihn ständig damit gehänselt, er wurde immer rot bis über beide Ohren und hat ihnen mit den Fäusten gedroht.“ Ihre

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