Gefaehrliche Maskerade einer Lady
verschlossenes Gesicht. Doch er zeigte keine Regung.
„Kati Machabeli klingt nicht sehr arabisch“, erwiderte er ruhig. „Nein, sie stammte aus einem Dorf in Georgien, nahe der Grenze zu Russland.“
„Verstehe. Und wer war dein Vater?“
„Sir Henry Cleeve natürlich. Ich habe nicht wirklich gelogen, ich habe nur nicht die ganze Wahrheit gesagt.“ Sie biss auf ihre Unterlippe und fuhr fort: „Mein Vater hat meine Mutter während eines Besuchs in Damaskus kennengelernt. Sie wurde aufgefordert zu übersetzen, weil der Mann, mit dem Vater Geschäfte machte, weder Englisch noch Französisch sprach.“
„Aber deine Mutter beherrschte beide Sprachen.“ Rafe entsann sich, dass Ayisha einmal behauptet hatte, sie spreche mehrere Sprachen. „Welche Geschäfte waren das?“
„Mein Vater hat Kunst und alte Schriftstücke gesammelt.“ „Und vermutlich auch Frauen.“
„Nein! So war er nicht. Meine Mutter war seine einzige Geliebte. “ Von der sie wusste, dachte Rafe.
„Sie haben sich ineinander verliebt, und Vater nahm sie mit nach Kairo. Dort kaufte er ihr ein kleines Haus am Markt und besuchte sie täglich. Aber das Haus gehörte ihr, sie hatte die Schlüssel.“ „Warum hast du nach ihrem Tod auf der Straße leben müssen, wenn es ihr Haus war?“
„Mein Vater hat es verkauft, als wir zu ihm in sein Haus gezogen sind. Meine Eltern haben sich sehr geliebt. Sie waren sehr glücklich bis zu ihrem Ende.“
„Verstehe.“ Er dachte über ihren Bericht nach. „Und wie passt Lady Cleeve in dieses Bild? Störte es sie nicht, dass sich dein Vater eine so schöne Mätresse nahm? Sie war doch schön, nehme ich an.“
Ayisha nickte. „Er hat uns erst nach dem Tod von Lady Cleeve zu sich genommen. Sie wusste nichts von Mama und mir.“
Er zog nachdenklich die Augenbrauen nach oben. „Woher willst du das so genau wissen?“
Sie überlegte. „Ich“, sie stockte. „Ich weiß es nicht, darüber wurde zu Hause nie gesprochen.“ Sie sah ihn betroffen an. „Als
Kind habe ich nie darüber nachgedacht. Du meine Güte, ich hoffe, sie hat nichts davon gewusst. Es muss schrecklich sein, zu erfahren, dass der eigene Ehemann eine andere liebt.“
Rafe war froh, dass Ayisha nicht versuchte, ihren Vater in Schutz zu nehmen. Ihre Bestürzung darüber, dass die Ehefrau ihres Vaters über sein Doppelleben gewusst haben könnte, wirkte echt.
Dabei nahmen Männer ihr Eheversprechen in diesen Kreisen eher einmal auf die leichte Schulter. Angefangen vom Prinzregenten, hielten sich die meisten Aristokraten neben ihren Ehefrauen attraktive Mätressen und machten nicht einmal einen Hehl daraus.
Rafe verurteilte diese Haltung zutiefst. Er stand zu seinem Wort und zu seinem Versprechen. Er würde ein treuer Ehemann sein und erwartete das auch von seiner Gattin.
„Dann war Alicia Cleeve also deine Halbschwester. Was ist aus ihr geworden?
„Sie starb zur selben Zeit wie ihre Mutter an der Pest. Damals war ich sechs Jahre alt.“
„Und wie alt war sie?“
„Auch sechs. Sie war nur einen Monat älter als ich.“
„Kanntest du sie?“
„Nein. Bis wir in Vaters Haus gezogen sind, habe ich nichts von ihr gewusst. Und auch dann habe ich vieles nicht richtig verstanden. Ich war ja selbst noch ein Kind. Ich wusste nur, dass die erste Frau meines Vaters zusammen mit der gemeinsamen Tochter gestorben war, mehr nicht.“
„Und dann hat dein Vater dich und deine Mutter aus dem Haus am Markt in seine Villa geholt?“
„Ja.“
Viele Männer hielten sich Mätressen, das war üblich. Aber seine Mätresse und ihr uneheliches Kind in sein Haus zu holen, eignete sich zu einem handfesten Skandal. Skandale führten zu Klatsch und Tratsch, die sich in Windeseile verbreiteten. Es war erstaunlich, dass Ayishas Großmutter keinerlei Gerüchte gehört hatte.
„Wie haben denn die Freunde deines Vaters darauf reagiert?“ Ayisha sah ihn verständnislos an. „Was meinst du damit?“
„Gab es durch euren Umzug denn keinen Klatsch oder Tratsch?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht. Wir hatten nur selten Besuch.“
„Wie haben denn die Freunde und Bekannten deines Vaters reagiert, wenn deine Mutter ausging?“
„Mama ging nie aus. Sie war sehr scheu, und mein Vater drängte sie zu nichts.“
Aus gutem Grund, dachte Rafe.
„Es war nicht so, wie du vielleicht denkst. Meine Mutter hatte eine lange Narbe an der Wange“, erklärte Ayisha. „Sie wurde bei einem Unfall verletzt. Sie wollte die Narbe verbergen. Aber
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