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Gefaehrliche Maskerade einer Lady

Titel: Gefaehrliche Maskerade einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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Stimme versagte.
    Rafe legte einen Arm um ihre Schultern. Er hatte viele junge Burschen gekannt, die stolz auf ihre ersten sprießenden Barthaare waren. Zu viele von ihnen waren in fremder Erde begraben worden.
    Dagegen half nur die Verdrängung.
    „Jem Blythe.“
    „Jem hat das Brustgeschirr für Cleo gebastelt“, sagte sie mit erstickter Stimme.
    Rafe drückte sie an sich.
    Mit diesen jungen Burschen hatte sie an Deck gelacht und geplaudert. Und die Matrosen hatten sie umschwärmt wie Bienen den Honig, dennoch war ihr ihre erotische Ausstrahlung gar nicht bewusst. In ihrer jahrelangen Verkleidung als Junge hatte sie offenbar keine Gelegenheit gehabt, ihre weiblichen Reize zu erproben.
    Nach der letzten Nacht bestand keinerlei Zweifel über ihre Unschuld.
    Das letzte Gebet war gesprochen, und dann wurde Psalm 23 gesungen: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. “
    Ayisha stimmte in den Gesang mit ein. Sie kannte alle Strophen, doch ihre helle Stimme zitterte und bebte. Ayisha weinte.
    „Hast du an dem Begräbnis deiner Eltern teilgenommen?“, fragte Rafe leise.
    Sie schüttelte den Kopf, sang aber unbeirrt weiter, obwohl ihre Stimme noch stärker zu zittern begann.
    Rafe hielt seine kleine Heldin an seine Seite geschmiegt. Ein Knoten schnürte ihm die Kehle zu, doch dies war weniger aus Trauer um die von den Piraten ermordeten Seeleute.
    Ayishas Schicksal ging ihm zu Herzen. Sie war so voller Leben und Anteilnahme. Wie war es möglich, dass sie sich nach all den Entbehrungen und Leiden, die sie in ihrem jungen Leben erlebt hatte, so viel Herzenswärme und Güte bewahrt hatte?
    Die toten Seeleute waren lediglich Zufallsbekanntschaften, und dennoch weinte und trauerte sie um die Toten und ihre Angehörigen. Sie weinte um Laila und Ali, die sie in Kairo hatte zurücklassen müssen, sie weinte sogar um einen struppigen alten Straßenkater. Er hatte ihren Schmerz beim Abschied gesehen.
    Sie hatte so viel Liebe zu geben. Und Liebe brachte Leid. Je mehr man liebte, desto mehr musste man leiden.
    Sie musste lernen, sich besser zu schützen, so wie er es gelernt hatte.
    Ayisha trat angekleidet aus dem winzigen Waschkabinett und fühlte sich frischer. Die Trauerfeier hatte sie sehr aufgewühlt, aber durch die Tränen wurden viele Fesseln in ihr gelöst.
    Sie begann, das Bett abzuziehen, um den Blutfleck auf dem Laken zu entfernen.
    „Lass das“, befahl Rafe. „Setz dich, unser Gespräch ist noch nicht beendet.“
    Er sollte besser sagen, das Verhör, seufzte Ayisha heimlich. Sie fühlte sich völlig ausgelaugt, viel zu viel war in den letzten Tagen und Wochen geschehen. Am liebsten würde sie unter die Decken kriechen und eine Woche lang schlafen. Aber sie durfte keine Schwäche zeigen.
    Rafe begab sich ins Waschkabinett und erschien kurz darauf wieder, gepflegt und elegant, als habe sein Kammerdiener ihm bei der Morgentoilette assistiert. Lediglich seine unrasierten Wangen passten nicht so recht ins Bild des perfekten Gentlemans. Der Bartansatz verlieh seinem markanten Gesicht etwas Verwegenes, sehr Attraktives, wie Ayisha fand.
    Sie spürte eine Gänsehaut auf ihrem Rücken, als sie sich an die gestrige Nacht und an seine rauen Wangen auf ihren zarten Brüsten erinnerte.
    Es wird nicht wieder geschehen, ermahnte sie sich. Sie setzte sich auf den Stuhl, faltete die Hände und wartete. Ihre Augen brannten noch immer, obwohl sie die Lider mit kaltem Wasser gekühlt hatte. Sie fühlte sich zwar sauber, aber doch zerknittert.
    Rafe setzte sich zu ihr und betrachtete sie schweigend. Ayisha zwang sich, ruhig zu bleiben. Sie wusste nicht, was er dachte und fühlte, aber sie konnte es ahnen.
    Er war gewiss zornig und verachtete sie, weil sie ihn verraten hatte. Wenn auch nicht absichtlich, so hatte sie ihn dennoch hinters Licht geführt.
    „Du hast von Anfang an gesagt, dass Alicia Cleeve tot sei. Du wusstest, dass ich dir nicht glaubte. Warum hast du so lange damit gewartet, mir die ganze Geschichte zu erzählen? Warum hast du mir nicht gleich zu Beginn alles gesagt?“
    Sie sah ihn ungläubig an. „Dir meine uneheliche Geburt gestehen? Hättest du mich nach England gebracht, wenn du davon gewusst hättest?“
    Er runzelte die Stirn. „Du wolltest nicht nach England.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Mein Vater hat mir so viel von England erzählt, dass ich mich immer danach gesehnt habe.“
    Er kniff die Augen zusammen. „Warum hast du dich dann so erbittert dagegen gewehrt, mich zu begleiten? Ich

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