Gefaehrliche Maskerade einer Lady
dieser Gegend unter.“
„Ich tue nichts dergleichen!“, entgegnete Rafe aufgebracht. „Ich habe ihr die Ehe versprochen, und ich heirate sie.“
Ja, dachte Ayisha betrübt. Er war ein Ehrenmann, der zu seinem Wort stand. Auch wenn er sein Versprechen unter falschen Voraussetzungen gegeben hatte.
„Sie heiraten? Und was ist mit der Erbfolge?“, fragte Lady Cleeve spitz.
Ayisha furchte die Stirn. Welche Erbfolge? Was meinte sie damit? Sie presste ihr Ohr an die Tür.
„Was wird der Earl of Axebridge zu dieser Heirat sagen?“ „Mein Bruder hat in dieser Angelegenheit kein Mitspracherecht. “ Sein Bruder war der Earl of Axebridge? Ayisha war wie betäubt. „Sobald er erfährt“, fuhr Lady Cleeve fort, „dass sein Nachfolger die Absicht hat, die uneheliche Tochter einer ausländischen Sklavin zu heiraten, hat er sehr wohl ein Mitspracherecht, schätze ich. Noch dazu, wenn er davon ausgeht, dass der erstgeborene Sohn aus dieser Ehe später den Titel des Earls erben wird.“
Die Worte der alten Dame trafen Ayisha wie der Schlag. Sie hatte nicht gewusst, dass Rafe einer so bedeutenden Familie entstammte. Gewiss, er war ein Gentleman, doch da er keinen Titel führte, hatte sie geglaubt, ihn heiraten zu können. Doch nun erfuhr sie, dass er der Erbe eines Earls war.
Ayisha, Countess of Axebridge? Das war unvorstellbar.
Sie hörte Rafe sagen: „Ich heirate die Frau, die ich mir aussuche. Und ich habe Ayisha gewählt.“
Mein Gott, wie eigensinnig er war. Und das alles nur, weil er sich ihr gegenüber verpflichtet fühlte. Die Tatsache, dass sie ihm das Leben gerettet hatte, hatte sie in den Augen der vornehmen Welt kompromittiert. Er würde sie heiraten, weil er ihr die Unschuld genommen hatte, weil er sie begehrte. Und fürchtete, sie könne schwanger sein.
Doch sie erwartete kein Kind von ihm. Ihre Monatsblutung hatte eine Woche vor Ankunft in England eingesetzt. Er musste sie nicht mehr heiraten. Er war frei.
Aber auch das hatte sie ihm verschwiegen.
Dankbarkeit, Ehrgefühl und Verlangen sind keine ausreichenden Gründe für eine Ehe, dachte sie todunglücklich. Schon gar nicht, wenn er durch die Ehe mit ihr so viel verlieren würde.
Lady Cleeve ergriff wieder das Wort: „Und was ist mit Ihrer Verlobten Lady Lavinia Fettiplace? Was wird sie und was wird ihre Familie dazu sagen, wenn Sie sie wegen der unehelichen Tochter einer Sklavin sitzen lassen? Diese überaus charmante junge Dame aus einer der besten Familien im Königreich ist obendrein Erbin eines beträchtlichen Vermögens, wenn ich mich nicht irre.“ Sie gab wieder einen verächtlichen Laut von sich. „Man stelle sich nur diesen Skandal vor! Glauben Sie, Ihr Bruder wird dazu nichts zu sagen haben?“
Eisige Kälte krampfte Ayisha das Herz zusammen. Er war bereits mit Lavinia verlobt? Mit Lady Lavinia und nicht mit Miss Fettiplace? Er hatte gesagt, dass sie schön und reich sei, aber nicht, dass sie auch adlig war.
Lady Lavinia war die ideale Braut für einen zukünftigen Earl.
Es war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Das konnte sie ihm nicht antun. Sie liebte ihn zu sehr, um sein Leben zu zerstören.
Sie hörte Schritte im Korridor und floh in blinder Hast ins nächste Zimmer. Ihre Knie versagten ihr den Dienst, und sie sank tränenblind auf einen kostbaren Orientteppich. Sie krümmte sich vor Verzweiflung.
Von nebenan hörte sie Geschirrklappern. Der Tee wurde aufgetragen. Ihre Finger krallten sich in die weiche Wolle des Teppichs. Ein bitteres Hohnlachen stieg in ihr auf. In einen solchen Teppich hätte er sie eingerollt, wenn sie sich geweigert hätte, ihm nach England zu folgen.
Es beruhigte sie ein wenig. Sie setzte sich auf und wischte sich mit dem Saum ihres Kleides die Tränen von den Wangen. Tränen waren keine Lösung. Es gab aber auch keine andere Lösung. Es war alles nur ein Traum gewesen, gegründet auf Halbwahrheiten und Verschleierungen und ihrem erbärmlichen Wunsch nach einer schönen Zukunft.
Dabei hatte sie doch schon als Kind auf den Straßen Kairos gelernt, dass Träume keinen Magen füllten. Träume mochten Hoffnung schenken, um die dunkelsten Stunden der Nacht zu überstehen, aber sie taugten nicht dazu, ein Leben aufzubauen.
Ayisha brauchte festere Grundsteine. Sie brauchte Ehrlichkeit und Liebe.
In einer Ecke des Zimmers stand ein zierlicher Schreibtisch. Tinte, Feder und Papier lagen darauf. Ayisha schrieb in eiliger Hast ein paar Zeilen im Wissen, dass sie jetzt feige handelte.
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