Gefaehrliche Maskerade einer Lady
hätte es keinen Unterschied gemacht. Und auch von diesem Engländer hatte sie keine Gnade zu erwarten, wenn er die Wahrheit über sie erfuhr.
Sie schob das Kissen seitlich an die Armlehne. „Dieses Gespräch führt zu nichts. Ich werde mit Ihnen nicht nach England gehen.“ Sie stellte die Füße auf den Boden und machte Anstalten, aufzustehen. „Lady Cleeve braucht Sie.“
„Nein, sie braucht mich nicht“, fauchte Ayisha den Engländer an. „Sie kennt mich doch gar nicht. Aber hier gibt es Menschen, die mich brauchen.“
„Wer denn? Ali? Sie können ihn nach England mitnehmen. Dort kann er eine Schule besuchen.
Sie schnaufte verächtlich. „Damit er sein ganzes Leben als dreckiger Araber beschimpft wird? Nein, danke.“
„Aber“, er stockte, denn sie fiel ihm ins Wort.
„Allein der Gedanke, Ali in ein strenges englisches Internat zu stecken, macht mich krank. Er würde es hassen und vor Heimweh vergehen. Nein, Ali gehört ebenso hierher wie ich.“
„Machen Sie sich darüber Sorgen?“, hakte er unerbittlich nach. „Dass man Ihnen in England nicht den nötigen Respekt entgegenbringt? Vielleicht wird Ali gewissen Vorurteilen ausgesetzt sein, aber nicht alle Engländer sind so engstirnig. Und Sie hätten in dieser Hinsicht nichts zu befürchten. Sie sind die Tochter von Sir Henry und Lady Cleeve und die Enkelin der verwitweten Lady Cleeve.“
Ayisha erstarrte bei seinen Worten. Genau das war ja das Problem. Sie war nicht die Tochter von Lady Cleeve.
„Nein. Kommt nicht infrage. Ich habe Verpflichtungen in Kairo. Sie werden mich nicht umstimmen. Sagen Sie der alten Dame, dass Alicia Cleeve verstorben ist.“ Es ist schließlich die Wahrheit, dachte sie wütend. „Und nun“, sagte sie und stemmte ihre Hände herausfordernd in ihre mageren Hüften, „lassen Sie mich endlich gehen!“ Er zog nachdenklich eine dunkle Augenbraue nach oben. „Mir war nicht bewusst, dass Sie sich als Gefangene fühlen.“
„Oh“, sie stutzte. „Gut, dann werde ich jetzt gehen.“ Sie musste fort aus diesem Haus und sich von seiner beklemmenden Gegenwart befreien. Sie brauchte Zeit, um über alles Gesagte in Ruhe und bei klarem Verstand nachdenken zu können.
Sie ging zur Tür, öffnete sie und verharrte. „Was würden Sie tun, wenn ich jetzt verschwinde?“
„Keine Ahnung“, antwortete er leichthin. „Vielleicht würde ich Sie von den Schergen des Paschas verfolgen lassen.“
Ayisha erblasste. „Das würden Sie nicht tun.“
Rafe lächelte. „Vermutlich nicht, aber ich an Ihrer Stelle würde es nicht drauf ankommen lassen. In der Armee haben sich meine Männer immer auf mich verlassen, weil sie wussten, dass ich zu meinem Wort stehe. Meine Soldaten wussten aber auch, dass ich meine Ziele rücksichtslos verfolge und dass es keine Sinn hat, sich mir entgegenzustellen. Ich habe Lady Cleeve versprochen, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um ihre Enkelin zu finden und nach Hause zu bringen. Und dazu stehe ich.“ Er legte eine Pause ein, um seine Worte wirken zu lassen. Dann fügte er hinzu: „Ich sehe Sie heute Abend zum Dinner.“
Ayisha starrte ihn fassungslos an. Erst drohte er, ihr die Schergen des Paschas auf den Hals zu hetzen, und im nächsten Atemzug lud er sie zum Dinner ein?
„Nein, mit Sicherheit nicht.“ Sie wollte keine Sekunde länger in der Höhle dieses Löwen bleiben.
„Haben Sie bereits eine andere Verabredung? Wie schade, man wird Sie vermissen.“
Sie runzelte die Stirn. „Wer denn?“
„Ihre Freundin Laila und der kleine Ali.“
„Wie bitte?“
„Ich habe beide zu einem Dinner kurz nach Sonnenuntergang eingeladen.“ Wieder lächelte er sie hochmütig selbstbewusst an.
„Sie werden nicht kommen.“ Laila würde zwar vor Neugier fast sterben, und Ali würde sich vor Sehnsucht nach den köstlichen Würsten verzehren, dennoch würde Laila diese Einladung niemals annehmen.
„Oh doch, ich denke schon, dass sie kommen.“
„Niemals. Sittsame Araberinnen lassen sich nicht von fremden Männern einladen, und schon gar nicht von Ausländern“, erklärte sie hochtrabend.
Ayisha war froh, dass Laila diesem Engländer niemals begegnen würde. Andernfalls würde sie ihm vermutlich zustimmen und Ayisha bedrängen, ihn nach England zu begleiten. Laila hatte eine Schwäche für gut aussehende Männer.
In Lailas Augen war jede Notlüge harmlos. Sie würde auch diesen Engländer für harmlos halten. Sie würde nur einen stattlichen Mann sehen, der Ayisha ein besseres Leben
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