Gefaehrliche Maskerade einer Lady
verblüfft zu ihm auf. „Das würden Sie für mich tun?“
„Wenn Sie wirklich unglücklich sind, ja“, versicherte er ihr und nahm sie bei der Hand. „Ich kann verstehen, dass Sie verstimmt sind, weil ich Sie so sehr bedrängt habe, aber glauben Sie mir, mein einziger Wunsch ist Ihr Wohlergehen und Ihr Glück.“
Seine tiefe Stimme klang aufrichtig. Sie wusste, warum er ihre Hand nahm und entzog sie ihm nicht. Sie wusste, dass er sie hochheben und ihre Finger küssen würde.
Doch diesmal löste die Berührung seiner Lippen ein Prickeln in ihr aus, das bis in ihre Zehenspitzen rieselte. Zögernd entzog sie ihm ihre Hand. Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden und rot anliefen.
„Warum tun sie das?“, murmelte sie nach einer Weile.
„Es ist das, was ein Mann nun einmal macht, wenn er ...“, er stockte.
„Wenn er was?“, hakte Ayisha nach.
„Wen er eine Frau beschützen will.“
„Oh.“ Er hatte versprochen, ihre Großmutter werde sich um sie kümmern und für sie sorgen. Sie stellte eine Verpflichtung dar.
Sie senkte den Blick auf ihre Hand. Nie zuvor hatte ihr jemand die Hand geküsst. Rafe Ramsey hatte sie schon zweimal geküsst und es hatte sich nicht wie eine Verpflichtung angefühlt, sondern ehrlich und wunderschön. Er hatte ihr das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein.
Als sei sie eine Prinzessin und nicht die, die sie war. Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen und wünschte sich, diese Prinzessin zu sein.
Aber all das galt einem toten Mädchen und nicht Ayisha.
Doch dann erinnerte sie sich an Lailas Worte. Sie war zwar keine Prinzessin, aber auch ein armes Mädchen durfte eine Orange essen. Sie durfte das Leben wie eine saftige Orange nehmen, und das wollte sie tun. Sie wollte die Orange des Lebens bis auf den letzten Tropfen ihres süßen Saftes auspressen.
Sie wollte für ihr eigenes Glück sorgen.
An der nächsten Ecke warteten Laila und Ali auf die beiden. Rafe verabschiedete sich knapp, er wirkte etwas erhitzt und entfernte sich in der schmalen Gasse.
Ayisha sah ihm nach. Mein einziger Wunsch ist Ihr Wohlergehen und Ihr Glück, hatte er gesagt. Seine hohen schwarzen Stiefel glänzten in der grellen Sonne.
„Englische Kleidung ist sehr freizügig“, bemerkte Laila, die ihm gleichfalls nachsah. „Er ist wirklich ein prachtvoller Kerl, dieser Engländer.“
Ayisha erschrak, als ihr bewusst wurde, wie gebannt sie auf sein strammes Hinterteil und seine muskulösen Schenkel unter den enganliegenden Reithosen starrte.
Ihre Wangen glühten. Sie wandte sich zu Laila, die ihre Hände unter dem Busen verschränkt hielt. „Was ist mit deiner Hand? Hast du dich verbrannt?“
Laila senkte errötend den Blick und lächelte scheu. „Nein, vielleicht hatten wir beide nur gerade den gleichen Gedanken.“
Ayisha bemerkte, dass sie ihre Hände ähnlich verschränkt hielt und ließ sie erschrocken sinken. „Das ist völlig harmlos.“ Sie zuckte hilflos mit den Schultern.
„Ich weiß, diese Engländer“, seufzte Laila. „Es ist eine verwirrende Sitte, so ein Handkuss.“
„Ja“, stimmte Ayisha zu.
„Und vielleicht“, fuhr Laila sinnend fort, „liegt es auch an diesen blauen Augen. Sie lassen Frauen an zerknüllte Betten und lange heiße Nächte denken.“
Sie fing Ayishas verwunderten Blick auf und korrigierte sich hastig: „Andere Frauen natürlich und keine so ehrbaren Frauen wie dich und mich.“
Ayisha lag eingewickelt in einer Decke auf ihrer Strohmatte im Innenhof. Tom schnurrte in ihrem Arm und trat sie mit sanften Pfoten. Die Nacht war kühl, und der Wind wehte vom Fluss herauf. Hoch über ihr am samtschwarzen Himmel glitzerten Myriaden von Sternen.
Leuchteten am Himmel über England die gleichen Sterne? Sie war sich nicht sicher. Aber der Mond war überall auf der ganzen Welt gleich.
Auf seiner Strohmatte unter der Bank räkelte sich Ali im Schlaf.
Wenn sie in England war, würde sie nachts ins Freie gehen, den Mond anschauen und an ihre Lieben in Ägypten denken.
Wenn sie in England war.
Für Lailas Zukunft war gesorgt. Sie würde entweder für Johnny Baxter arbeiten und mit Ali in seinen Haus einziehen, oder sie würde in Alexandria in ihrem eigenen Haus leben.
Auch für Ali war gesorgt. Er begann jetzt schon jeden Satz mit: „Mr Baxter hat gesagt“.
Nur Ayisha blickte einer unsicheren Zukunft entgegen. Aber welche Zukunft bot Sicherheit, ermahnte sie sich. Jeder konnte plötzlich krank oder von einem Unglück heimgesucht werden. Sie
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