Gefaehrliche Maskerade einer Lady
noch ein paar Waisenkinder auf der Straße auflesen, und so wird wieder Leben in die Bude kommen.“
Rafe schmunzelte. „Sie sind ein patenter Kerl, Johnny Baxter. Ich bin froh, Sie kennengelernt zu haben. Und wenn Sie mal nach England reisen, besuchen Sie mich. Sie sind mir jederzeit willkommen.“ Die Männer schüttelten einander herzlich die Hände.
Bei Tagesanbruch ritt Rafe an Baxters Haus vor und führte eine Stute für Ayisha am Zügel. Hinter ihm führten zwei Araber mit ihren Pferden ein mit dem Gepäck beladenes Maultier.
„Wir reiten bis Boulac“, sagte Rafe. „Dort nehmen wir ein Boot flussabwärts.“
Laila, Ali, Johnny Baxter und die Diener hatten sich gleichfalls zum Abschied vor dem Haus versammelt. Und sogar Tom, der Kater.
Sie wirkten noch etwas verschlafen nach der langen nächtlichen Abschiedsfeier. Laila und ihre Küchenhelfer hatten ein köstliches orientalisches Festmahl zubereitet. Hinterher saßen alle noch lange unter einem glitzernden Sternenhimmel um das Feuer im Innenhof. Sie erzählten sich Anekdoten, spielten auf ihren Instrumenten, sangen Lieder und Laila tanzte. Es war eine lange Nacht voller Lachen und Tränen.
Ayisha bemühte sich tapfer, fröhlich zu sein, doch Rafe bemerkte ihre geröteten Augen und ihre geschwollenen Lider. Sie trug ein für Männer typisches langes Beduinengewand mit einer breiten Schärpe um die Taille. Anstelle eines Turbans hatte sie ein loses Tuch auf dem Kopf gebunden und mit einer verknoteten Kordel um die Stirn befestigt. Es war die ideale Kleidung für einen Ritt durch die Wüste.
„Haben Sie Ihr Gepäck?“, fragte Rafe. Ihre zur Schau gestellte Fröhlichkeit rührte ihn.
Sie hielt ihm ein schmales Bündel hin, das er an einen Araber weiterreichte, der es zum übrigen Gepäck am Maultier befestigte.
„Also dann“, erklärte sie mit fester Stimme, „es ist Zeit, Abschied zu nehmen.“
Sie umarmte zuerst Johnny Baxter, dann Ali, der nun gar nicht mehr der freche Gassenjunge war und mühsam mit den Tränen kämpfte.
„Sei brav, kleiner Bruder. Und wenn du groß bist, besuchst du mich in England“, sagte sie mit belegter Stimme. „Und übe fleißig lesen und schreiben, damit du mir viele Briefe schicken kannst. Du fehlst mir jetzt schon.“
„Das mache ich ganz bestimmt, Ayisha.“
Und dann umarmten sich die Frauen lange und innig. Laila weinte bittere Tränen.
Ayisha löste sich aus der Umarmung. „Ängstige dich nicht um mich, Laila. Ich folge nur meiner Bestimmung, erinnerst du dich? Und ich genieße den süßen Saft des Lebens bis zum letzten Tropfen. Ich danke dir tausendmal für alles.“ Ihre Stimme versagte, Ayisha presste die Lippen aufeinander, konnte nicht weitersprechen.
Laila wischte sich die Tränen mit einem Zipfel ihres weiten Gewandes von den Wangen. „Vergiss nicht, dass du immer meine Tochter bleibst, was auch geschieht. Ich liebe dich sehr.“
Ayisha nickte stumm. Sie bückte sich und hob den Kater auf, barg ihr Gesicht in seinem Fell, dann schob sie das Tier in ihr Gewand und näherte sich dem Pferd.
„Was haben Sie vor?“, fragte Rafe. „Sie können das Tier nicht mitnehmen.“
Sie starrte ihn fassungslos an. „Wieso nicht? Er ist mein Kater.“
Rafe warf ratlose Blicke in die Runde. „Weil es eine lange beschwerliche Reise ist.“
„Tom ist ein zäher Bursche. Er hält alles aus.“
„Lässt er sich in einen Käfig sperren?“, fragte Rafe, dem der verwilderte Kater Respekt einflößte.
Sie senkte schweigend den Kopf.
„Auf dem Schiff wird er die meiste Zeit in einen Korb bleiben müssen. Und auch später, wenn wir in England in der Kutsche reisen, muss er in einen Korb.“ Rafe warf einen Blick zu den Pferden hinüber. „Heute reiten wir einige Stunden, und dann sind wir auf dem Boot bis nach Alexandria. Bleibt das Tier dann die ganze Zeit in Ihrem Gewand?“
Alle wussten die Antwort. Ayisha biss sich auf die Unterlippe. Tom kletterte aus ihrem Gewand, legte die Pfoten an ihre Schulter und rieb sein Köpfchen an ihrem Kinn. Rafe konnte sein rostiges Schnurren hören.
„Tom ist alt, Ayisha“, sagte Rafe sanft, „und alte Katzen vertragen keine Veränderung.“
Sie grub ihr Gesicht in sein Fell. Tom starrte Rafe hasserfüllt an, als wisse er, dass dieser Fremdling ihm seine geliebte Göttin wegnahm. Sein Schwanz mit dem fehlenden Ende schlug verärgert.
„Er hat recht, meine Tochter“, sagte Laila leise. „Tom ist zu alt, um noch neue Wurzeln schlagen zu können.“
„Lassen
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