Gefaehrliche Maskerade einer Lady
mit warmen Wasser. Es war ein echter Luxus, und die Seife duftete köstlich. Ayisha musste an Ali denken. Er hatte gesagt, die Seife habe so gut gerochen, dass er davon abgebissen hatte. Diese Seife hier roch nach Jasmin und einem fremdartigen Gewürz. Sie wollte Higgins danach fragen.
Als ihre Fingerkuppen begannen runzelig zu werden, stand sie auf und goss sich sauberes Wasser über Kopf und Körper, um die Seifenreste abzuspülen. Dann stieg sie aus der Wanne. Sie fühlte sich herrlich erfrischt und genoss den köstlichen Duft ihrer Haut.
Higgins hatte einfach an alles gedacht. Ayisha wickelte sich ein weiches Handtuch um den Kopf und rieb sich mit einem zweiten trocken.
Rafes Kabine war zwar prunkvoll, gleichzeitig aber auch sehr praktisch ausgestattet. Unter dem breiten eingebauten Bett befanden sich mehrere Schubkästen, und die zur Kabine hin offene Seite des Bettes war mit niedrigen Gitterstäben versehen wie ein Kinderbett, vermutlich um zu verhindern, dass der Passagier bei rauer See herausfiel.
An der Wand war eine Tischplatte festgeschraubt und die dazu gehörenden Stühle hingen an Haken, um bei Bedarf aufgestellt zu werden. So wollte die Mannschaft wohl verhindern, dass die Einrichtung bei Sturm durch die Gegend flog.
Es gab sogar einen abgetrennten, winzigen Waschraum sowie ein angrenzendes Wasserklosett mit Salzwasserspülung.
„Alles auf dem modernsten Stand und mit allem Komfort“, hatte Higgins stolz erklärt. Er hatte für Rafe die beste Kabine gebucht, die eigentlich dem Schiffseigner und seiner Gemahlin Vorbehalten war.
Higgins hatte offenbar seine ganze Überredungskunst eingesetzt, um sie für seinen Herrn zu reservieren.
Die Holzverschalung war weiß lackiert, Messingarmaturen, Griffe und die Öllampe an der Decke glänzten frisch poliert. Zwei Fenster über dem Bett wiesen auf das Heck, und ein großes Bullauge an der Seitenwand ließ viel Licht ein.
Der neue Eigner hatte das frühere Kriegsschiff zu einem Handelsund Passagierschiff umbauen lassen und nur wenige Kanonenöffnungen zum Schutz vor etwaigen Piratenangriffen beibehalten. Die meisten anderen waren zu Bullaugen umgebaut worden, um Frischluft und Licht für die Passagiere einzulassen.
Ayisha packte ihre neuen Kleider aus. Sie hatte Rafes Rat befolgt und sich bequeme Reisekleider gekauft. Sobald sie in London wären, würde sie nach der neuesten Mode eingekleidet werden, hatte er gemeint. „Sie werden gewiss ein halbes Dutzend Kleider bekommen und all das Übliche, was Frauen so brauchen.“
Das Problem war nur, dass sie nicht wusste, was das Übliche sein sollte. Und sechs Kleider erschienen ihr viel zu viel zu sein. Andererseits war sie jahrelang zerlumpt herumgelaufen, sodass sie Rafes Börse in Kairo nur zu gern benutzt hatte. In Lailas weite Gewänder gehüllt und unter deren Schleier versteckt, hatte sie sich begeistert ins Abenteuer gestürzt, Stoffe ausgewählt und um Preise gefeilscht.
In diesem Moment hatte sie sich das erste Mal gefragt, warum sie sich nicht schon früher als verschleierte Frau auf die Straße gewagt hatte. Doch sie hatte sich immer nur in Männerkleidern sicher gefühlt.
Die Schneiderin hatte sich natürlich erschrocken, als unter Ayishas wallendem Gewand Männerkleider zum Vorschein kamen, die wiederum den Köper eines Mädchens verdeckten. Sie hatte der Frau eingeschärft, zu schweigen, doch sie wusste, dass diese ihren Mund nicht halten würde.
Das war alles nicht mehr wichtig. Sie war jetzt auf dem Weg nach England.
Nachdenklich betrachtete sie die Kleider, die sie auf dem Kajütenbett ausgebreitet hatte. Auf dem Weg zu Rafes Kabine waren ihr zwei Engländerinnen, eine Französin und einige andere Frauen unbekannter Herkunft begegnet, doch keine dieser Frauen trugen Kleider wie diese. Sie sahen alle hübscher und eleganter aus, dachte Ayisha.
In den Bazaren von Kairo gab es alles zu kaufen, was das Herz begehrte, Schuhe, Tücher und Schals, aber nirgendwo Kleider im europäischen Stil. Also hatte sich Ayisha Stoffe gekauft und war zu einer Schneiderin gegangen. Allerdings hatte diese noch nie ein europäisches Kleid geschneidert.
Ayisha zeichnete einige Skizzen und beschrieb aus ihren schemenhaften Erinnerungen Kleider, die sie vor dem Tod ihrer Mutter an anderen Engländerinnen gesehen hatte.
Die Zeit war viel zu kurz, um komplizierte Kleider zu nähen, deshalb waren alle von ähnlich schlichtem Schnitt. Die Röcke waren weit, um bequem gehen zu können, der Halsausschnitt rund,
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