Gefaehrliche Maskerade einer Lady
Sie ihn bei Ali“, bat Rafe. Er nickte dem Kleinen zu.
Ali ging auf Ayisha zu und hob die Arme. „Ich werde gut auf Tom aufpassen. Versprochen.“
Ayisha hob den Kopf. „Natürlich weiß ich, dass ich ihn nicht mitnehmen kann“, erklärte sie in einem hilflosen Versuch, heiter zu klingen. „Ich wollte nur“, sie schluckte, „ich wollte mich nur von ihm verabschieden. Tom ist mein ältester Freund.“
Mit einem verkrampften Lächeln legte sie den Kater in Alis Arme, dann drehte sie sich wortlos um und stieg behände in den Sattel, ohne auf Hilfe zu warten.
Rafe schwang sich ebenfalls auf sein Pferd. „Bereit?“, fragte er.
Sie nickte stumm.
„Auf Wiedersehen! Lebwohl! Adieu!“, rief der Chor ihnen nach.
Ayisha winkte tränenblind. Ali rannte eine Weile neben den Pferden her. Der Kater saß mittlerweile auf der Mauer und blickte seiner Herrin aus schmalen goldenen Augen nach.
Nachdem Ayisha ihre Tränen getrocknet hatte, begegnete ihnen ein schwarz gekleideter Mann mit gelblich verfärbten Blutergüssen im Gesicht. Bei Ayishas Anblick kniff er die Augen hasserfüllt zusammen.
„Bei Gott, das ist einer der Bösewichte vom Fluss.“ Rafe wollte auf ihn zu reiten.
Ayisha hob die Hand. „Nein, tun Sie es nicht. Ich regle das.“ Und auf Arabisch rief sie ihm zu: „Onkel von Gadi, ich grüße dich. Ich hoffe, deine Wunden schmerzen sehr und werden zu eitrigen Geschwüren! Wie du siehst, reise ich mit dem Engländer. Er besitzt Berge von Gold, von dem du nichts bekommst. Meine Mutter hat dich mit ihrem letzten Atemzug verflucht. Du hast nichts anderes verdient.“
Er ballte fluchend die Faust, doch dann blickte er ängstlich zu dem Engländer.
Ayisha lachte. „Du bist immer noch der gleiche Feigling, wie? Du hast mich einmal gefragt, wie ich dir in jener Nacht entkommen konnte.“ Sie wartete, bis sie an ihm vorübergeritten waren. „Ich war die ganze Zeit unter dem Bett, nur eine Handbreit von deinen schmutzigen Füßen entfernt.“ Sie hob ihre Hand. „Und weißt du was, Onkel von Gadi? Deine Füße stinken!“
Ihre Tränen waren versiegt. Sie bohrte ihrem Pferd die Fersen in die Flanken und galoppierte los. Über die Schulter rief sie Rafe noch zu: „Ein Wettrennen nach Boulac, Engländer!“
Der Wind meinte es gut mit Ihnen, und so erreichte ihr Boot den Hafen von Rosetta in kurzer Zeit. Anders als die meisten anderen Passagiere gingen sie hier nicht von Bord, um die letzte Etappe nach Alexandria zu reiten. Der Kapitän hatte Rafe geraten, die Innenstadt von Alexandria zu meiden und besser direkt die Küste entlang bis zum Hafen zu fahren. Da genügend Zeit blieb, wählte Rafe die Fahrt mit dem Flussboot.
Ayisha schmunzelte belustigt, als Rafe ihr von der Änderung seines Plans berichtete. „Du meine Güte“, sagte sie spöttisch, „Alexandria meiden. Sie haben diese Route doch nur gewählt, weil es keine Pferde mehr gibt und Sie auf einem Esel von Rosetta nach Alexandria reiten müssten. Ich weiß Bescheid!“
Er lächelte. „Es sähe lächerlich aus, wenn ich mit meinen langen Beinen auf einem Esel reiten würde.“
In den letzten Tagen hatte sich Ayishas Stimmung merklich aufgehellt. Die Reise schien ihr zu gefallen, und sie machte ihn auf Sehenswürdigkeiten und Kuriositäten aufmerksam. Sie wirkte so munter und zuversichtlich, dass Rafe oft fürchtete, sie würde nur spielen.
Denn sobald sie sich unbeobachtet fühlte, wirkte sie nachdenklich und in sich gekehrt. Irgendetwas lag ihr auf der Seele, und das war nicht die Angst vor dem fremden England. Eigentlich müsste ihre Flucht vor Gadis Onkel und den anderen Banditen beruhigend auf sie wirken.
„Ihre Großmutter wird überglücklich sein, Sie endlich in die Arme schließen zu können“, sagte er einmal.
„Ja, gewiss“, antwortete sie höflich, aber keineswegs überzeugt. „Ich freue mich auch auf sie.“
„Higgins bemüht sich um eine Einzelkabine für Sie“, sagte er ein anderes Mal, da er befürchtete, sie sorge sich um die Schiffsreise.
„Das hängt allerdings von der Zahl der Passagiere ab“, erklärte er. „Möglicherweise müssen Sie sich aber auch eine Kabine teilen.“ Sie sah ihn stirnrunzelnd an.
„Mit einer oder zwei anderen Damen, selbstverständlich“, fügte er hastig hinzu. Sie lachte.
Schließlich segelten sie am antiken Alexandria vorbei und weiter bis zu dem im Westen liegenden Hafen der Mittelmeerstadt. Ihr Schiff lag schon vor Anker. Rafe, der bei Antritt seiner Ägyptenreise hier einige
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