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Gefährliche Praxis

Gefährliche Praxis

Titel: Gefährliche Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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unempfindlich für männliche Aufmerksamkeiten und kompetent nur im Umgang mit problembeladenen Frauen; die schüchterte sie dafür ein. Zum erstenmal an diesem Tag war Jerry Herr der Lage.
    »Alice, meine Frau, ist ganz nervös geworden bei dem Gedanken, hierher zu kommen. Aber sie muß natürlich zu einem Arzt. Also mußte ich ihr versprechen« – sein Blick schloß die Sprechstundenhilfe in ein allumfassendes Verständnis für die Frauen ein – , »daß ich erst allein hierher komme und mich überzeuge, ob der Doktor auch ein mitfühlender Mensch ist. Alice ist schüchtern. Aber ich bin sicher, wenn ich ihr erzähle, wie nett Sie sind und daß Sie sie natürlich ganz sanft behandeln werden, dann kann ich sie überreden, herzukommen. Sicher haben Sie hier eine Menge Frauen mit dem gleichen Problem. Das ist es doch, worum Sie sich in der Hauptsache kümmern müssen, nicht wahr?«
    »Das tun wir, ganz gewiß. Und dann gibt es ältere Frauen mit verschiedenen – hm – Problemen…« Die Sprechstundenhilfe schien nach einem zu suchen, das sie ihm am ehesten nennen könnte. »Probleme in – sagen wir – den Wechseljahren und ähnliches.«
    »Natürlich«, sagte Jerry mit dem Anschein größten Verständnisses, obwohl sein Unwissen über dieses Thema kaum umfassender hätte sein können. »Gibt es etwas, was man dagegen tun kann?« Solch eine Frage zu stellen, war sicher für einen jungen Ehemann, einen Nicht-Vater wider Willen, höchst unnatürlich, aber Jerry hoffte, es würde ihr nicht auffallen. Die Sprechstundenhilfe war aber schon nicht mehr beim Inhalt des Gesprächs, sondern nur noch bei dessen Qualität, und so schluckte sie seine Frage ohne Einwand. »Ach, da gibt es so einiges, was man machen kann«, sagte sie und drehte dabei den Stift zwischen den Fingern, »es gibt Hormonspritzen und -pillen und natürlich die Behandlung durch einen fähigen Arzt.« Sie lächelte. »Es gibt ja bei Frauen auch andere dumme Komplikationen.«
    Jerry hob diese Information für den späteren Gebrauch gut auf. »Aber Sie behandeln doch auch Frauen«, fragte er mit ernstem Gesicht, »die ein Baby haben wollen?«
    »Oh, ja, natürlich. Es gibt viele verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die alle sehr hilfreich sind. Und Dr. Barrister hat viel Verständnis.«
    »Ich bin froh, das zu hören«, sagte Jerry. »Weil Alice einen verständnisvollen Menschen braucht. Würden Sie Dr. Barrister als ›väterlich‹ bezeichnen?«
    Der Begriff schien die Sprechstundenhilfe aus der Fassung zu bringen. »Also, nein, nicht direkt väterlich. Aber er kennt sich sehr gut aus, und er ist ruhig und hilfsbereit. Ich bin sicher, Ihre Frau wird ihn mögen. Aber Sie wissen ja«, fügte sie schelmisch hinzu, »daß Sie sich auch irgendwo einem Test unterziehen sollten. Ich meine, es liegt ja nicht immer an der Frau, nicht wahr?«
    Jerry gestattete sich, darüber in Verlegenheit zu geraten. Er sah zu Boden, ließ die Locke baumeln und hüstelte. »Könnte Alice vielleicht am Freitag zu Ihnen kommen?« fragte er nervös.
    »Freitags hat der Doktor keine Sprechstunde«, sagte die Sprechstundenhilfe. »Wie wäre es mit einem anderen Tag?« Für Jerry, der an die gestohlene Uniform des Hausmeisters dachte, war diese Bestätigung durchaus zufriedenstellend, aber sie wäre es noch mehr gewesen, wenn sie ihn nicht daran erinnert hätte, daß er vergessen hatte, Horan zu fragen, wo er denn am letzten Freitag gewesen war. »Vielleicht lasse ich besser Alice anrufen«, sagte er und stand auf. »Sie waren sehr nett zu mir. Ist – ehm – ich frage mich – ist Dr. Barrister sehr teuer?«
    »Ich fürchte, ja«, sagte die Sprechstundenhilfe. »Sie können noch nicht sehr lange verheiratet sein«, fügte sie freundlich hinzu. »Vielleicht brauchen Sie sich noch gar keine Sorgen zu machen.«
    »Sie wissen, wie Frauen sind«, sagte Jerry. »Nochmals besten Dank.«
    »Keine Ursache«, sagte die Sprechstundenhilfe, während er die Tür hinter sich schloß. Jerry rannte zur Fifth Avenue vor und nahm sich ein Taxi, das diesmal aber endgültig auf Kates Kosten ging. Sally erwartete ihn. Er hatte das Gefühl, daß das Gespräch mit der Sprechstundenhilfe hervorragend gelaufen war; aber was, im Namen aller gynäkologischen Mysterien, hatte er dabei herausbekommen?
    Während Jerry in seinem Taxi Sally-wärts eilte, saß auch Kate, nachdem sie ›Daniel Deronda‹ auf seinen zionistischen Traumwegen begleitet hatte, ebenfalls in einem Taxi auf dem Weg zu dem Haus, das

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