Gefährliche Praxis
fort. »Schließlich wissen wir nicht, ob er nicht doch mit Janet Harrison zu tun hatte. Außer seinem Wort haben wir keinen Beweis.«
»Aber er leugnet, vor ihrer Ermordung jemals von ihr gehört zu haben.«
»Nachdem er sie ermordet hat, wolltest du sagen.«
»Warum sollte er dann das Bild identifizieren und sich damit weiter in die Sache verstricken?«
»Er hat nicht sich verstrickt, sondern Barrister. Offenbar hat er nicht damit gerechnet, in eine Verbindung zu der ganzen Geschichte zu geraten. Er wußte nicht, daß sie ein Testament hinterlassen hat.«
»Wenn er nicht wußte, daß sie ein Testament gemacht hatte, warum sollte er sie dann ermorden? Ihr Geld soll doch das Motiv sein.«
»Vielleicht ging es nicht um ihr Geld; oder vielleicht hat er gehofft, das Testament würde nie gefunden.«
»Jerry, du machst zu wenig von deinem Verstand Gebrauch. Wenn das Testament nicht gefunden würde, bekäme er das Geld nicht. Aber egal was für ein Motiv er gehabt haben mag, er hat Chicago nicht verlassen. Und erzähl mir jetzt nicht, er könnte jemanden dafür angeheuert haben – ich kann es einfach nicht mehr hören.«
»Ich glaube, dieser Fall ist nicht gut für deine seelische Verfassung – du hörst dich immer gereizter an. Was du brauchst, sind ein paar Tage Ferien.«
»Was ich brauche, ist eine Lösung. Sei mal einen Augenblick still und laß mich überlegen. Wenn ich mir davon auch keine spektakulären Ergebnisse erwarte, es ist die einzige Aktivität, die mir im Moment möglich ist. Übrigens, wenn man einen so guten Kaffee kochen kann, indem man einfach den gemahlenen Kaffee in einen Topf schüttet, wieso gibt es dann so viele verschiedene und teuere Kaffeemaschinen auf dem Markt?«
»Soll ich dir mal meinen Lieblingsvortrag über die Werbung und den Niedergang der Werte in Amerika halten? Darin bin ich wirklich gut. Ich bin sogar berühmt dafür, daß es mir gelungen ist, meiner künftigen Verwandtschaft die Anschaffung einer Eismaschine auszureden, nachdem ihnen eine schlaue Anzeige eingeredet hatte, daß sie so etwas brauchten. Vielleicht stimuliert meine Rede deinen Denkprozeß. Fertig? Also: Vor Jahren war das, was sich der Mensch wünschte, noch klar in zwei Gruppen getrennt: die Dinge, die er brauchte, und die, die er haben wollte, weil sie ihm gefielen. Niemals wäre es einem Menschen eingefallen, beides durcheinanderzubringen oder sich einzureden, er brauche etwas, das er sich nur wünschte. Die Puritaner…«
»Kann denn die Polizei tatsächlich wissen, daß er Chicago nicht verlassen hat?«
»Genau das habe ich mich auch schon gefragt«, sagte Jerry. »Seine Kollegen sagen: Ja, natürlich, Dannyboy hat den ganzen Tag im Labor gearbeitet, wir haben ihn reden, mit Reagenzgläsern hantieren und auf der Schreibmaschine tippen hören, aber es gibt schließlich auch Tonbänder und Platten. Hast du den Film ›Laura‹ gesehen? Übrigens, wird nicht der Name jedes Passagiers notiert, der von New York nach Chicago fliegt?«
»Das denke ich doch. Für jedes Flugzeug gibt es eine Passagierliste.«
»Dann könnte er auch einen falschen Namen angegeben haben. Oder er ist mit dem Zug gefahren. Ich glaube, als nächstes müssen wir dem Dr. Daniel Messenger ein paar Fragen stellen. Selbst wenn sich herausstellt, daß er so sauber ist wie frisch gefallener Schnee, kann er uns vielleicht etwas über Barrister erzählen oder über das Leben und die Gene. Was haben wir schon zu verlieren, außer ein paar Tagen und den Preis für die Flugkarte?«
»Ich habe keine paar Tage übrig.«
»Ich weiß. Und ich habe nicht das Geld für ein Ticket nach Chicago. Also schlage ich vor, wir kombinieren meine Zeit mit deinem Geld, und ich fliege hin. Ich verspreche dir, diesmal keine Extratouren zu machen. Sehen wir mal, welchen Eindruck er auf mich macht.«
Die Idee war Kate auch schon gekommen. Sie hätte nur zu gern selber mit Daniel Messenger gesprochen. Aber über einen Punkt gab es nichts zu streiten, und das war die Tatsache, daß sich an ihrem gewohnten Tagesablauf nichts ändern durfte. Des Mordes beschuldigt zu werden, ist eine Sache; eine andere dagegen, seine Pflichten zu vernachlässigen. Jerry hatte in seine Fähigkeit, Menschen zu beurteilen, mehr Vertrauen als Kate. Das war nicht eigentlich persönlich gemeint: Jerry war so einfühlsam, wie junge Männer nun mal sind. Und Tatsache war, daß junge Leute sich kein Urteil bilden konnten: Sie hatte zu viele mittelmäßige Professoren erlebt, die bei ihren
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