Gefaehrliche Schatten
die Schmetterlinge. Sie kamen den Besucherweg herunter in Noahs Richtung.
Eine Welle von Panik erfasste Noah. Er duckte sich noch tiefer und hastete voran. Endlich erreichte er die Felsen, die einige Meter von der Außenwand des Geheges entfernt standen. Die Felsen ragten hoch in das Glasdach hinauf, und von der Vorderseite fiel laut ein Wasserfall herab. Schmetterlinge saßen darauf und wärmten sich im Sonnenschein. Auf dem Boden zwischen den Felsen und der Wand führte eine Treppe in die dunkle Erde hinein. Hier endeten die Pfotenabdrücke. Führten diese Stufen zu den Grotten? Dutzende von Schmetterlingen flatterten aus der dunklen Erde hervor und hinauf in die warme Luft.
Irgendwo im Gehege kreischte eines der Kinder aufgeregt. Noah packte die Angst. Er sollte das hier nicht tun. Tameron hatte sie gewarnt, die Grotten nicht zu betreten. Er hatte gesagt, dass die Scouts sich verletzen könnten, verlorengehen oder Schlimmeres.
Aber Noah musste die ganze Wahrheit über den geheimen Zoo herausfinden. Die Descender und die Grotten – es gab zu viele Geheimnisse. Wenn alle, die Noah etwas bedeuteten, in Gefahr waren, dann musste er verstehen, womit er es zu tun hatte.
Noah schob seine Ängste zur Seite und stieg eine Stufe hinunter. Dann noch eine und noch eine. Die kühle Luft legte sich auf seine Haut, und ein modriger Geruch füllte seinen Kopf. Er verließ das Licht des Geheges und tauchte in die Dunkelheit des Untergrunds ein.
Am Fuße der Treppe befand sich zu seiner Rechten ein dämmriger Raum. Er war vielleicht zweieinhalb Meter hoch und etwas über einen Meter breit. Noah spähte hinein, konnte aber nichts erkennen. Doch als er den unterirdischen Flur betrat, gingen plötzlich einige Lampen an, die in der Wand eingelassen waren. Noahs Bewegung musste sie angeschaltet haben.
Mit großen Augen sah Noah sich um. Er befand sich in einem kurzen Tunnel, der etwa drei Meter geradeaus führte und sich dann nach rechts und links teilte. Er ging bis zur Kreuzung und blickte in beide Richtungen. Jeder Tunnel war etwa fünfzehn Meter lang und besaß wieder fünf oder sechs weitere Abzweigungen. Und alle Eingänge waren mit Samtvorhängen behängt.
Die Grotten. Führten diese Tunnel zum geheimen Zoo – oder woanders hin?
Noah machte zwei vorsichtige Schritte in den linken Tunnel. Backsteine bildeten die Wände und die Decke. Beim Gehen fuhr er mit den Fingerspitzen über die Wände. Die Steine waren feucht und kalt. Kleine Mörtelstücke brachen ab und fielen zu Boden.
Die Stimme in Noahs Kopf wurde immer lauter: Geh hier raus. Hier unten ist es … zu gefährlich. Tameron … hat dich gewarnt.
Aber war es nicht möglich, dass die Descender versuchten, etwas vor den Scouts zu verheimlichen? Konnte es sein, dass die Grotten überhaupt nicht gefährlich waren und die Geheime Gesellschaft Noah und seine Freunde einfach nur von hier fernhalten wollte?
Über den Eingängen zu den Tunneln waren dünne Metallplaketten mit eingravierten Worten befestigt. Von seiner Position aus konnte Noah sie nicht lesen. Bezeichneten die Schilder vielleicht die Orte, wohin die Tunnel führten?
Noah ging weiter. Doch bevor er den ersten Tunnel erreicht hatte, blieb er stehen. Aus einer weiter entfernten Abzweigung drang eine Art Wolke. Darin brodelte es von Farben. Noah sah genauer hin und erkannte, woraus diese Wolke bestand: Schmetterlinge. Hunderte von Schmetterlingen. Dicht zusammengedrängt flogen sie auf Noah zu. Ihre buntschillernden Flügel schlugen lautlos durch die Luft.
Noah hatte keine Zeit, um zu reagieren. Schon hatten die Schmetterlinge ihn eingehüllt. Ihre zarten Flügelspitzen berührten seine Haut, und Noah wurde von ihrer Bewegung mitgerissen. Er drehte sich um. Von den Schmetterlingen geblendet, tastete er sich mit ausgestreckten Armen voran, um den kurzen Tunnel bis zu den Stufen zurückzugehen.
Wieder dachte er an Tameron. Der Descender hatte ihn davor gewarnt, die Grotten zu betreten. Würde er nun den Preis dafür bezahlen, dass er nicht gehorcht hatte?
Er fuchtelte mit den Armen vor seinem Gesicht herum, um die Schmetterlinge zu vertreiben. Doch es half nichts, er konnte immer noch nichts sehen. Panik übermannte ihn, und er rannte blindlings voran, die Hand immer an der Wand, um sich hinauszutasten. Hatte er den Ausgang schon verpasst? Er hatte Angst, den falschen Tunnel zu erwischen und irgendwo anders zu landen – an einem schlimmen Ort wie dem Dunklen Land.
Plötzlich löste sich seine Hand
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