Gefaehrliche Spur
Das Innere roch nicht nach Rauch oder Fast Food, erst recht nicht nach Alkohol, und es gab keine Aufkleber. Das einzige Zeichen, dass der Wagen einem Geistlichen gehörte, war ein um den Rückspiegel geschlungener Rosenkranz. Und ein Hauch von Weihrauchduft stieg aus Jaimes Kleidung, wann immer er sich bewegte.
„ Woher kommst du, Tom?“
„ Das ist eine komplizierte Frage, Father. Bin ziemlich viel herumgeko m men. Ich stamme aus Montana. Da bin ich aber schon lange weg.“
Soweit wie möglich bei der Wahrheit zu bleiben, war eine bewährte Taktik bei Undercovereinsätzen. Es machte die Persona, die man verkörperte, glaubhafter. Immerhin sprach Travis mit einem leichten Dialekt und g e brauchte hin und wieder charakteristische Redewendungen, die ein geschultes Ohr durchaus Montana zuordnen konnte.
„ Wenn du gewillt bist zu arbeiten, kann ich dir ab und zu eine Arbeit in der Kirche geben. Wir können zwar nicht viel zahlen, aber ein bisschen fällt in jedem Fall ab. Und ein Essen ist immer drin.“
„ Danke, Sir.“ Da Father Jaime offenbar seinen Atem mit der Verdammung von Satan und dem Glücksspiel verausgabt hatte, war er nicht zum Reden aufgelegt. Deshalb versuchte Travis, ihn aus der Reserve zu locken. „Ich bin neu in der Stadt. Und das Erste, was ich von Portland sehe, ist ein Toter, den der Teufel geholt hat. Ich sollte wohl besser weiterziehen.“
„ Die Rechtschaffenen, die auf Gott vertrauen, brauchen Satan nicht zu fürchten. Der Herr beschützt die Seinen. Wenn du ein gottesfürchtiger Christ bist, hast du nichts von Satans Versuchungen zu befürchten.“ Er blickte Tr a vis von der Seite an und versuchte wohl abzuschätzen, wie gottesfürchtig er tatsächlich war. „Ich weiß, es geht mich nichts an, aber wie kommt ein Mann wie du auf die Straße?“
Travis zuckte mit den Schultern. „Murphys Gesetz. Als ich aus Afghanistan zurückgekommen bin, ist alles schiefgelaufen, was nur schiefgehen konnte.“
„ Hast du keine Freunde, die dich aufgenommen hätten?“
Travis schüttelte den Kopf. „Meine einzigen Freunde sind in Afghanistan geblieben. Aber ich vertraue auf Gott. Wenn ich mich redlich bemühe, werde ich nicht ewig auf der Straße bleiben.“
„ Das ist ein guter Vorsatz. Es gibt hier eine Organisation, die Leuten wie dir hilft. Sie nennt sich Aid for the Homeless. Sie ist zwar noch recht neu und klein, hat aber schon einigen Leuten geholfen, von der Straße wegzukommen. Joe kann dir die Telefonnummer und Adresse geben. Sie können zwar nicht jedem helfen, aber sie tun, was sie können. Wende dich an Larry Pearson, wenn du dich bei ihnen vorstellst. Unbedingt an Larry Pearson.“
„ Danke, Father.“
Travis kam nicht mehr dazu danach zu fragen, warum er sich unbedingt an Larry Pearson wenden sollte, denn Jaime hielt vor einem doppelstöckigen Haus, dessen Fassade aus weißen Holzlamellen bestand, die wirkten, als w ä ren sie erst kürzlich gestrichen worden. Über dem Eingan g sbereich, zu dem von der Straße aus vier Stufen führten, hing ein Schild mit der Aufschrift Joe’s House . Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich der Hauptei n gang zu einem Krankenhaus.
„ Wir sind da“, sagte der Geistliche überflüssigerweise. „Komm morgen nach Sacred Heart, dann habe ich vielleicht Arbeit für dich.“
Travis bedankte sich nochmals, stieg aus und die Stufen hoch, nachdem er sich das Kennzeichen von Father Jaimes Wagen gemerkt hatte. Es zu übe r prüfen konnte nicht schaden. Ein Schild an der Tür forderte ihn auf, einz u treten. Ein anderes darunter verlangte strikt in Englisch und Spanisch: Kein Alkohol! Keine Drogen! KEINE WAFFEN! Travis trat ein und fand sich in einem Empfangsbereich wieder, der hell und freundlich wirkte. Gegenüber der Tür befand sich ein Tresen wie in einem Hotel, das dieses Haus früher vielleicht gewesen war, denn an der Wand hinter dem Tresen hingen zwanzig Zimmerschlüssel mit runden Nummernplaketten. Links neben der Tür stand eine Bank an der Wand, auf der ein Mann saß, eingehüllt in einen Wollma n tel, eine braune Wollmütze auf dem Kopf. Auf dem Schoß hielt er einen alten Seesack, den er in einer Art an sich drückte, als befürchte er, dass man ihn ihm jeden Moment wegnehmen könnte. Am Tresen stand eine Frau, die ganz sicher keine Obdachlose war, und unterhielt sich mit einem Afroamerikaner, der wohl Joe oder einer seiner Mitarbeiter sein musste, da er hinter dem Tr e sen stand.
Weil sie Travis halb den Rücken
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