Gefaehrliche Spur
Familie geschaffen, die auf ihn vollkommen normal wirkte – trotz dämonischem Kindermädchen, dämonischem Wachhund, einem das Haus bewachenden Gargoyle und den zwei Vampiren, die als Nachtschicht in der Detektei arbe i teten, aber mit zur Familie gehörten und von den Kindern unbefangen Onkel und Tante genannt wurden. Verdammt, wenn ein Sukkubus und ein Werwolf so ein Familienleben auf die Beine stellen konnten, warum sollte ihm das nicht auch gelingen? Wenn er denn eines Tages die richtige Frau dafür fand. Seit er Waynes und Kias sowie Bronwyns und Devlins Glück mindestens einmal die Woche vor Augen hatte, war ihm nachdrücklich bewusst gewo r den, was in seinem Leben fehlte. Aber die Dinge ließen sich nicht erzwingen.
Ein Punkt brachte ihn immer wieder zum Grübeln. Sams zweite Tochter, Siobhan, hatte die ganze Zeit an ihm geklebt wie eine Klette. Sie hatte ständig seine Nähe gesucht. Am Morgen nach seiner Ankunft war er aufgewacht und hatte die Kleine neben sich im Bett vorgefunden, in das sie sich geschlichen hatte, während er schlief. Wenn er meditierte, um die Kontrolle über die neu erwachte magische Sicht zu schulen, hatte sie stumm und geduldig bei ihm gesessen. Und, verdammt, er fühlte sich jedes Mal ausgeglichener und wohler in ihrer Gesellschaft. Vor allem hatte er seitdem keinen einzigen Albtraum mehr gehabt.
Schlagartig erkannte er den Zusammenhang und fragte sich, wieso ihm der nicht schon früher aufgefallen war. Zwar war er bis dahin noch nie einem begegnet, aber er wusste, dass es Menschen und andere Wesen gab, die nicht wie zum Beispiel Sam den Körper, sondern die Seele heilen konnten. Offe n bar war Siobhan eine Seelenheilerin. Und das erklärte ihm auch Abbys B e hauptung, dass alles gut für ihn werden und er seine Traumata bewältigen würde. Sobald der Fall hier in Portland aufgeklärt war, würde er Sam noch einmal besuchen und sich bei Siobhan für ihr Geschenk bedanken.
Seine Aufmerksamkeit wurde von einer Menschentraube abgelenkt, die den Gehweg versperrte. Polizeiwagen, Krankenwagen, Feuerwehrwagen und ein Leichenwagen der Gerichtsmedizin standen vor einem Haus, in dessen Vo r garten ein großer Ahornbaum stand. Schwarz-gelbes Absperrband hielt die Schaulustigen von dem offensichtlichen Tatort fern. Travis blieb stehen und reckte den Hals, um besser sehen zu können. Eine Bahre mit einem Leiche n sack darauf wurde den Vorgartenweg hinunter zum Wagen des Coroners getragen.
„ Orrin hat ja nicht mehr viel von seinem Reichtum gehabt“, hörte er j e manden sagen, der, von dem Platz aus zu schließen, an dem er stand, wah r scheinlich ein Nachbar war.
„ Aber er ist reich gestorben und mit Sicherheit glücklich“, meinte ein Mann daneben.
„ Reichtum macht nicht glücklich“, widersprach ein Dritter, der einen Prie s terkragen trug. „Und unheilig erworbener Reichtum erst recht nicht.“
„ Ich sehe nichts Unheiliges an einem Lottogewinn“, knurrte der Nachbar. „Wenn Gott nicht wollte, dass Menschen auf diese Weise zu Geld kommen, würde er das verhindern. Oder er hätte von vornherein verhindert, dass es Lotterien überhaupt gibt.“
„ Satan ist überall! Er holt die, die ihm ihre Seele verkauft haben für Reic h tum.“
Nicht nur Orrins Nachbar, auch andere Umstehende zogen sich zurück, um die Predigt des Geistlichen nicht hören zu müssen, der jetzt richtig in Fahrt kam und Hölle und Verdammnis über jeden Menschen beschwor, der dem Glücksspiel frönte, egal , auf welche Weise.
Travis hörte nur mit halbem Ohr zu. Orrin, wie auch immer er mit Nac h namen hieß, gehörte also zu den Lottogewinnern, die einige Zeit nach ihrem Gewinn verstorben waren. Da das Ereignis noch nicht lange her war, konnte er sich in der Retrospektion ansehen, was passiert war. Da das Absperrband der Polizei sich um den Ahornbaum und dessen Areal herum befand, war das Opfer dort gestorben. Gut. Denn ohne seine Befugnis als FBI Agent hätte man ihn kaum ins Haus gelassen, damit er sich dort umsehen konnte.
Er schloss für einen Moment die Augen, atmete tief ein und aus und ko n zentrierte sich auf seine Fähigkeit, die vergangenen Ereignisse zu sehen. Er starrte auf die Gegend innerhalb des Absperrbandes und befahl seinem G e hirn, jetzt das wahrzunehmen, was sich ereignet hatte, als Mr. Orrin hier g e storben war.
Die ihm die Sicht versperrenden Menschen und der Leichenwagen ve r schwammen zu durchsichtigen Schatten, die noch stärker verblassten, als das frühere Geschehen
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