Gefaehrliche Spur
er sie intensiv betrachtete und sie mit dem Finger nachzeichnete. Das letzte Mal, als ein Mann das getan hatte – der Pfleger im Krankenhaus, der sie mit einer Heilsalbe bestrichen hatte – war Rya in Panik geraten und hatte um sich geschlagen, weil das die Erinnerung an das kalte Messer des Skinners ausgelöst hatte. Toms Berü h rung löste nichts dergleichen aus. Was für eine Wohltat!
Rya rückte ein Stück näher an ihn heran. Er legte die Hand in ihren Nacken und näherte langsam sein Gesicht ihrem. Sie erwartete, dass er ihren Mund küssen würde. Stattdessen küsste er die Narbe; jedes Stück davon. Ein ang e nehmes Gefühl. Mehr als angenehm. Es vermittelte ihr den Eindruck, dass er die Narbe wegküsste und sie hinterher verschwunden sein würde. Das wäre sie natürlich nicht, aber die Illusion gab ihr den Glauben daran, dass es ihr eines Tages tatsächlich nichts mehr oder zumindest erheblich weniger ausm a chen würde, dass sie da war. Sie legte die Hand gegen Toms Wange. Seine Bartstoppeln kitzelten an ihren Fingern.
Tom sah ihr in die Augen. „Du bist so wunderbar, Rya. Haare wie Feuer, ein feuriger Geist und eine innere Kraft, mit der du alles schaffen kannst, was du willst.“ Er lächelte. „Eben eine Göttin.“
Sie war versucht zu glauben, dass er ihr nur schmeicheln wollte, aber dazu sah er sie zu ernst an. Außerdem verriet ihr sein Tonfall, dass er jedes Wort ernst meinte. Himmel, tat das gut! Wann hatte ein Mann sie zuletzt bewu n dert? Das war lange her. Sehr lange. Selbst vor ihrer Begegnung mit dem Skinner galt die Bewunderung allenfalls ihrem Aussehen. Kaum erfuhren die Männer, dass Rya Privatermittlerin war, ging in den Kerlen wer weiß was vor, das ihr Interesse an ihr schlagartig abkühlte. Und die beiden einzigen Fälle, in denen sich trotzdem eine Beziehung entwickelt hatte, waren daran gesche i tert, dass die Männer auf die Dauer mit eben der inneren Kraft nicht zurech t gekommen waren, die Tom so bewunderte. Obwohl er hautnah miterlebt hatte, wie sehr sie noch unter dem Trauma litt, tat das seiner Bewunderung keinen Abbruch. Der Mann war ein Wunder.
Rya legte die Arme um ihn und drückte ihn leicht an sich, spürte seine harte Erektion und empfand nicht die geringste Furcht, sondern nur den Wunsch, endlich wieder eine normale Frau zu sein.
Tom legte seine Hand gegen ihre Wange und sah ihr in die Augen. „Willst du das wirklich, Rya?“
Sie nickte. „Weil du es bist.“
Er lächelte. „Das ist das schönste Kompliment, das mir je eine Frau g e macht hat.“
Er küsste sie. Seine warmen Lippen fühlten sich wie Samt an und schmec k ten nach dem Honigwein, den er getrunken hatte. Er strömte einen Duft nach dem harzigen Rauch des Feuers aus, an dem sie bis zuletzt gesessen hatten. Erinnerungen an glückliche Zeiten wurden wach, an die Wochene n den mit Mike auf der Jagdhütte seines Vaters, in der sie ihre Verliebtheit hemmungslos ausgelebt hatten. Sie erwiderte Toms Kuss und genoss seine Wärme und die Wärme der Kerzen, die einen Duft nach Honig verströmten.
„ Halt mich fest, bitte“, flüsterte sie, als er den Kuss so sanft beendete, wie er ihn begonnen hatte.
Er legte die Arme so vorsichtig um sie, als wäre sie etwas Kostbares. „Gut so? Wenn es dir zu eng wird, genügt ein Wort, und ich gehe auf Abstand.“
Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte bisher nicht einmal ertragen können, dass jemand sich ihr weiter als bis auf Armeslänge näherte. Bei Tom war alles anders.
„ Das ist der Zauber von Beltane“, sagte er, als hätte er ihre Gedanken err a ten.
Er streichelte ihr Gesicht. Sie imitierte die Geste und ließ ihre Hand über seinen Hals zu seiner Brust gleiten. Spürte die harten Muskeln unter dem Stoff des Hemdes und wollte seine Haut berühren.
„ Darf ich mich ausziehen?“, fragte er, als hätte er wieder ihre Gedanken e r raten.
„ Kannst du Gedanken lesen?“
Er lachte leise. „Nein. Ich lese nur ganz gut Gestik und Mimik. Aber ich habe nichts dagegen, wenn du mich ausziehen möchtest.“ Er sah sie mit e i nem verschmitzten, neckenden Blick an, den sie unwiderstehlich fand.
Bevor sie jedoch darauf reagieren konnte, zog er sich bereits das Hemd über den Kopf und warf es an Rya vorbei auf den Stuhl. Offenbar hatte er wieder erahnt, was sie sich wünschte. Rya fand, dass er einen unglaublich anziehenden Körper hatte, durchtrainiert und tatsächlich ohne eine einzige Narbe. Körperscheu war ihm offenbar völlig fremd, denn er ließ sich
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