Gefaehrliche Spur
h sen.
Kirk blickte sie eine Weile ausdruckslos an. Dann schenkte er ein Glas Wasser ein und hielt es ihr an den Mund. Sie trank ein paar Schlucke. Das Wasser belebte sie ein wenig und beruhigte zumindest ihren Magen, dem immer noch übel war. Sie ignorierte das ebenso wie die Kopfschmerzen.
„ Nach mir wird jemand anderes kommen.“ Endlich klappte das Sprechen wieder. „Und der wird denselben Spuren folgen wie ich. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man Sie entdeckt.“
Er lächelte herablassend. „Wohl kaum. Sie verhelfen mir zu meinem letzten Coup hier in Portland. Danach verlasse ich die Stadt für immer. Und zwar auf eine Weise, dass niemand jemals wieder eine Spur von mir finden wird.“ Er ging zu dem Schreibtisch vor dem Fenster und strich über ein altes Buch, das dort lag und ganz in Leder eingeschlagen war.
„ Wieso verstecken Sie sich eigentlich? Ihnen geht es doch offensichtlich gut. Sie sind nicht mehr obdachlos. Und Ihre Schwester sucht Sie seit Mon a ten.“
„ Meine Schwester.“ Er sprach das Wort aus wie ein Schimpfwort. „Meine liebe Schwester interessiert sich nicht die Bohne für mich. Der einzige Mensch, der sie interessiert, ist sie selbst.“
Den Eindruck hatte Rya auch gewonnen.
„ Meine liebe Schwester“, fuhr Kirk fort und trank den Rest des Wassers aus dem Glas, aus dem er Rya hatte trinken lassen, „war entsetzt, als ich nach meiner Entlassung aus der Army vor ihrer Tür stand, weil ich nicht wusste, wohin ich sonst hätte gehen sollen. Wenn es nicht ein furchtbar schlechtes Licht auf sie geworfen hätte, mich rauszuwerfen, dann hätte sie genau das getan.“ Kirk blickte sie an. „Und wissen Sie, warum sie mich jetzt unbedingt finden will?“
„Weil sie ein politisches Amt anstrebt und sich ein obdachloser Bruder nicht gut in der Biografie macht. Aber Sie haben doch den Absprung geschafft. Sogar aus eigener Kraft. Welchen Grund hätten Sie denn noch, sich zu verstecken?“
Kirk streichelte wieder das lederne Buch. „Nicht ganz aus eigener Kraft.“ Er lächelte versonnen, schien aber nicht gewillt, noch etwas zu sagen.
Rya überlegte fieberhaft, wie sie entkommen könnte. Sie stemmte sich g e gen die Fesseln, die aus stabilen Kabelbindern bestanden. De r einzige Effekt, den sie damit erzielte, war, dass sich die Kopfschmerzen und die Übelkeit verstärkten. Sie stöhnte.
„ Zwecklos“, stellte Kirk fest. „Ich habe Erfahrung darin, Gefangene zu fe s seln. Sie können nicht entkommen.“
Ihre einzige Chance lag darin, Zeit zu gewinnen, in der ihr hoffentlich ein Ausweg einfiel. „Kann ich noch etwas Wasser haben?“
Er schenkte erneut Wasser in das Glas und ließ Rya trinken. Sie hätte es ihm am liebsten ins Gesicht gespuckt, aber das wäre keine gute Idee.
„ Was meinten Sie damit, dass ich Ihnen zu einem letzten Coup verhelfe?“
Er blickte sie kalt an. Sie glaubte schon, dass er ihr nicht antworten würde, aber schließlich nickte er. „Da Sie es sowieso nicht ausplaudern können, macht es nichts, wenn Sie das wissen. Im Gegenteil gönne ich Ihnen die Gnade, mit dem Bewusstsein zu sterben, welche Wunder es auf der Welt gibt.“ Er tätschelte das Buch. „Hätte ich das früher gewusst, wäre mein L e ben anders verlaufen. Ganz anders.“
Er hob das Buch hoch und hielt es ihr hin. Es war altersfleckig und trug weder Titel noch Verfasser. Die einzige Markierung war ein zum größten Teil schon verblasstes Symbol, das eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Schlüssel hatte. Rya hatte so eins noch nie gesehen.
„ Wissen Sie, was das ist?“
„ Ein altes Buch.“
„ Nicht nur irgendein Buch, sondern ein sogenanntes Grimoire. Das ist ein Buch mit Zaubersprüchen, magischen Ritualen und Rezepten für Zaube r tränke.“
Rya starrte ihn ungläubig an. Hatte sie sich verhört, oder hatte Marty Kirk tatsächlich was von Zaubersprüchen und Magie gefaselt?
„ Sie glauben mir nicht?“ Er schüttelte den Kopf und bedachte sie mit e i nem nachsichtigen Lächeln. „Ich habe es auch nicht geglaubt, als ich es g e funden habe.“ Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch, legte das Buch d a rauf, lehnte sich im Sessel zurück und blickte Rya mit einem Ausdruck in den Augen an, der frappierend dem des Skinners ähnelte.
Der Kerl war ebenso verrückt wie der Skinner. Komplett wahnsinnig. Wäre ihre Situation nicht so prekär gewesen, Rya hätte gelacht. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, zweimal im Leben einem Wahnsinnigen in die Hände zu fallen, der
Weitere Kostenlose Bücher