Gefaehrliche Spur
sie töten wollte? Nicht größer als die, zweimal vom Blitz getroffen zu werden. Wie groß die Wahrscheinlichkeit war, zweimal zu überleben, dafür musste sie keine Statistik bemühen. Das Ergebnis war und blieb verschwi n dend gering.
Tom, ich liebe dich!
Der Gedanke schoss ihr durch den Kopf, ehe sie seinen Inhalt begriff. Sie würde Tom diese Worte niemals sagen können, aber sie wollte nicht sterben, ohne sich ihre Liebe zu ihm wenigstens eingestanden zu haben. Nein, sie wollte überhaupt nicht sterben. Und, verdammt, noch war sie nicht tot! Sie stemmte Hände und Füße gegen die Fesseln und ignorierte den Schmerz, der durch die Anstrengung in ihrem Kopf explodierte. Auch wenn die Wah r scheinlichkeit gering war, würde sie nichts unversucht lassen, die Fesseln wenigstens genug zu lockern, dass sie zumindest eine Hand freibekommen konnte. Auf dem Tisch steckte eine Schere in einem Halter für Stifte. Wenn sie an die herankommen könnte …
„ Sie wollten den Grund wissen, warum ich untergetaucht bin und Marty Kirk habe sterben lassen“, fuhr er fort. „Als ich noch auf der Straße lebte, habe ich meinen Lebensunterhalt nicht wie andere Obdachlose mit Betteln verdient, sondern mit Diebstahl. Ich habe mich an Touristen gehängt, die allein unterwegs waren, und sie in günstigen Momenten ausgeraubt. Diejen i gen, die mich gut genug gesehen haben, dass sie mich hätten beschreiben können, habe ich getötet.“
Er sagte das in einem so beiläufigen Ton, als spräche er über das Wetter. Der Mann war ein kaltblütiger Killer und nicht nur deshalb gefährlich. Sie stemmte sich wieder gegen die Fesseln. Doch die gaben kein noch so winz i ges bisschen nach.
„ Eines Tages“, fuhr er fort, „fand ich im Gepäck eines der Männer, die ich töten musste, dieses Buch.“ Er klopfte darauf. „Eine Antiquität, ohne Zwe i fel, und sicher einiges wert. Ich wollte es ursprünglich verkaufen. Aber mit Antiquitäten ist das so eine Sache. Ich hatte keine Ahnung, was das Ding wert ist.“ Er zuckte mit den Schultern. „Gut, das hätte ich damit begründen kö n nen, dass ich das Ding geerbt hätte. Aber möglicherweise ist das Ding so wertvoll oder so bekannt in einschlägigen Kreisen, dass man mich erwischt und mir den Mord hätte nachweisen können. Ich hatte schon mit dem G e danken gespielt, es wegzuwerfen. Aber dann habe ich das Tagebuch des B e sitzers in seinem Gepäck gefunden. Was darin stand, konnte ich nicht gla u ben.“
Rya gab ihre Versuche, die Fesseln zu sprengen, vorläufig auf. Ihre Muskeln zitterten von der Anstrengung, ihr Kopf dröhnte und ihre Kraft reichte nicht aus. Das Einzige, was sie bisher erreicht hatte, war, dass einer der Binder in ihre Haut geschnitten hatte und sie blutete.
„ Und was stand drin?“, fragte sie, um Zeit zu gewinnen.
Kirk klopfte wieder auf das Buch. „Dass alles, was hier geschrieben steht, funktioniert, wenn man es richtig macht.“ Er nickte. „Genau wie Sie in di e sem Moment dachte ich, der Kerl spinnt und leidet unter Halluzinationen. Hat zuviel Crack geraucht oder was weiß ich. Aber er schrieb so überze u gend, dass ich mir dachte, es kann nicht schaden, mal einen von den Zaubern auszuprobieren.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich hatte nichts zu verlieren. Also habe ich mir die Zutaten besorgt und ein Ritual durchgeführt, das a n geblich für Geld im Beutel sorgt.“ Er beugte sich vor und blickte Rya mit leuchtenden Augen an. „Es hat funktioniert.“
„ Und Sie sind nicht auf den Gedanken gekommen, dass das Zufall sein könnte? Oder dass der Kerl, der das Tagebuch geschrieben hat, verrückt sein könnte?“
Kirk nickte. „Doch, natürlich. Wer glaubt schließlich schon an Magie? Aber wenn man verzweifelt ist, greift man zu selbst dem dünnsten Strohhalm. Als Ergebnis dieses kleinen Rituals fand ich auf der Straße eine fette Brieftasche mit über tausend Dollar drin. Ja, das hielt ich für einen Zufall. Also habe ich das noch mal ausprobiert, mit demselben Ergebnis. Daraufhin habe ich es mit einem anderen Ritual versucht.“ Er breitete die Arme aus. „Zwei Wochen später gehörte mir mein eigenes kleines Versicherungsimperium. Und damit begann der Aufstieg.“ Er beugte sich wieder vor und blickte Rya an. „Sie wissen jetzt natürlich, warum ich ein anderer werden musste und den Namen Marty Kirk nicht mehr benutzen konnte.“
„ Wegen der Morde, die Sie begangen haben.“
Er nickte. „Und als meine Schwester anfing, in Portland nach
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