Gefaehrliche Spur
etablieren, kostete Zeit, Geld und Mühe, weshalb jede nach Möglichkeit mehrfach verwendet wurde. Sie zu offenb a ren, machte nicht nur diese Arbeit zunichte, es gab unter Umständen auch Dinge preis, die Außenstehende niemals erfahren durften. Zumindest nicht, ohne vorher eine restriktive Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnet zu haben. Das alles ließ nur eine Möglichkeit offen: Er musste Rya aufgeben. Aber allein der Gedanke drehte ihm den Magen um.
Zum Glück musste er eine endgültige Entscheidung nicht sofort treffen. Erst einmal musste der Fall abgeschlossen werden. Rya würde sich freuen, wenn er nachher zu ihr ging und ihr sagte, dass er Marty Kirk gefunden hatte. Aber durfte er ihr das sagen? Er seufzte. Sein Urteilsvermögen war beei n trächtigt, so ungern er das auch zugab. So oder so, als Erstes musste er mit Wayne sprechen. Danach würden sie O’Hara informieren. Alles andere mus s te warten.
Der Regen ließ nach und hörte zehn Minuten später auf. Zeit zu gehen. Er verließ mit Cole d en Diner und ging mit ihm zum Hafen zurück. Eine Fähre näherte sich der Mole und würde in wenigen Minuten anlegen. Cole sagte zwar nichts, aber Travis spürte, dass er die potenzielle Bettelbeute lieber nicht mit ihm teilen wollte.
Er klopfte Cole auf die Schulter. „Ich muss los. Mit etwas Glück kann ich gleich schon mit der Arbeit beginnen. Kann jedenfalls nicht schaden, wenn ich dem Manager zeige, dass er sich auf mich verlassen kann.“
Cole nickte. „Danke, Tom. Werd ich dir nicht vergessen.“
Travis nickte ihm zu und ging. Falls Cole sich nicht geirrt hatte, war Marty Kirk nicht Patient Null, sondern hatte sich in Mylon King verwandelt. Es war an der Zeit, ihm auf den Zahn zu fühlen, wie er dieses Wunder vollbracht hatte.
*
*
Das Erste, was Rya spürte, als sie erwachte, war Übelkeit.
Im nächsten Moment begann ihr Kopf zu schmerzen, als wollte er expl o dieren. Sie stöhnte und würgte. Etwas Kaltes wurde auf ihre Stirn gelegt. Sie roch Rasierwasser und zuckte zurück – und stellte fest, dass ihre Hände an die Lehnen eines Stuhls gefesselt waren und ihre Füße an dessen Beine.
Bewegungsunfähig festgeschnallt auf einem Metalltisch, das kalte Metall des Skalpells an ihrer Stirn, das ihr die Haut aufschnitt, der stechende Geruch des Rasierwassers des Skinners …
Rya öffnete den Mund, um zu schreien.
Es ist nur ein Film , hörte sie Toms ruhige Stimme im Geist. Nicht real. Ich bin real .
Das Wunder geschah; der Panikanfall blieb aus. Das Kalte wurde von ihrer Stirn genommen. Sie erkannte, dass es ein feuchtes Erfrischungstuch war. Was sie im ersten Moment für Rasierwassergeruch gehalten hatte, war das Parfüm des Tuches.
„ Ich suche mir meine Opfer normalerweise ausschließlich unter den O b dachlosen“, sagte eine Männerstimme hinter ihr. Ihr Sprecher ging an ihr vorbei und warf das Tuch in einen Papierkorb. „Aber Sie haben zu viel he r umgeschnüffelt. Ich konnte es mir nicht leisten, Sie noch länger herumlaufen und Fragen stellen zu lassen. Früher oder später hätten Sie mich gefunden.“
Der Mann drehte sich um. Rya blickte in ein Gesicht, das sie in den letzten Tagen unzählige Male in verschiedenen Varianten angesehen hatte: Marty Kirk. Er trug die Haare länger als auf dem Militärfoto, das sie als Grundlage genommen hatte, und hatte es sich in Wellen legen lassen. Außerdem hatte er sich einen Vollbart stehen lassen. Aber es war zweifellos Marty Kirk.
Vielleicht lag es daran, dass ihr Kopf zum Bersten schmerzte und sie de s halb nicht klar denken konnte, aber sie begriff gar nichts mehr. Außer der Tatsache, dass ihr Tod eine beschlossene Sache war.
Wieder einmal.
Die Panik, die eigentlich auf diese Erkenntnis hätte folgen müssen, blieb erstaunlicherweise aus. Sie hatte einmal überlebt, sie konnte es wieder scha f fen. Sie wollte es schaffen; musste es schaffen. Wegen Tom. Wenn sie spurlos verschwand, würde er glauben, sie hätte sich aus dem Staub gemacht, weil sie ihn nach der letzten Nacht nicht wiedersehen wollte. Dabei wollte sie ihn nicht nur wiedersehen, sie wollte bei ihm bleiben, mit ihm leben und ihn nie wieder gehen lassen.
„ Ja, Ms. MacKinlay, nun haben Sie mich gefunden“, sagte Kirk. „Aber es nützt Ihnen nichts mehr. Sie werden niemandem davon Mitteilung machen können.“
„ Na…“ Rya schluckte. Das Sprechen klappte nicht richtig, denn ihr Mund war trocken und ihre Zunge fühlte sich an, als wäre ein Pelz auf ihr gewac
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