Gefährliche Stille
setzte sich in den anderen Schaukelstuhl und
musterte mich einen Moment lang durch den Rauch. Ich erwiderte seinen Blick,
erwartungsvoll und nervös zugleich.
»Sie haben nach Fenella McCones Besuch
in Fort Hall gefragt«, sagte er. »Das war im Spätsommer 1958.« Direkt zur
Sache, wenn er sich einmal zum Reden entschlossen hatte. »Sind Sie ihr
begegnet?«
»Nein. Da war ich schon nach New York
gezogen. Sie wissen, dass ich Künstler bin?«
»Ja. Und ich weiß auch von Ihrer Arbeit
an den Schulen. Es ist wunderbar, was Sie für die Kinder tun.«
Er hob die Hand, als wollte er weitere Lobreden
unterbinden. »Die meisten Kinder haben nicht so viel Glück, wie ich es hatte.
Meine Mutter hat mich ermutigt, und später fielen dann meine Bilder einer
Mäzenin auf, einer reichen weißen New Yorkerin, mit einem Sommerhäuschen am
Snake River und Kontakten zu einer guten Kunstakademie.« Bei dieser Erinnerung
verzogen sich seine Lippen amüsiert zu einem Lächeln. »Sie mochte mich ebenso
wie meine Bilder. Ich schätze, ich war damals ein ganz gut aussehender Bursche,
und ich wollte nichts mehr als gefallen — auf allen Gebieten.«
Elwood hatte also auch seine munteren
Seiten. Ich lächelte, und ich hätte schwören können, dass er mir zuzwinkerte — oder
war es nur wegen des Rauchs? »Wenn Sie schon weggezogen waren, woher wissen Sie
dann vom Besuch meiner Großtante?«
»Ich nehme doch an, mein Neffe hat
Ihnen schon vom Mokassintelegrafen erzählt.«
»Will Camphouse ist Ihr Neffe?«
»Eine Art entfernter Neffe, ja. Unsere
Verwandtschaftsverhältnisse sind nicht so übersichtlich wie bei den Weißen und
auch nicht so klar definiert.«
»Heißt das, er ist auch mit mir
verwandt?«
»....Möglicherweise. Es gab inzwischen
eine solche Vermischung zwischen den Stämmen und auch mit anderen ethnischen
Gruppen, dass solche Verbindungen schwer nachweisbar sind. Wenn Sie und Will
verwandt sein möchten, sollten Sie sich als verwandt betrachten.«
Was er da sagte, eröffnete einige
verblüffende und auch ein wenig beängstigende Ketten von Möglichkeiten. Ich sah
mich im Geist von Menschen umringt, Kreise von Menschen, lauter Fremde und jeder
ein potenzieller Verwandter. Ich war zwar nicht gerade eine Einzelgängerin,
aber ich hielt meine eigene Familie doch auf Armeslänge, und meine engeren
Freundschaften ließen sich an den Fingern abzählen. Jetzt konnten plötzlich,
qua Blutsverwandtschaft, unendlich viele Menschen irgendwelche Ansprüche an
mich stellen.
Ich sagte: »Also, Fenella...«
»Sie war damals das Thema des
Mokassintelegrafen. Sie müssen bedenken, es waren die fünfziger Jahre. Damals
war es nicht üblich, dass Frauen ganz allein im Sportwagen aufkreuzten und bei
Verwandten einfielen, die bis dahin gar nichts von ihrer Existenz gewusst
hatten. Und außerdem war Ihre Großtante eine ziemlich exotische Person.«
»Exotisch — Fenella?« Dieses Wort hätte
ich nie mit ihr assoziiert.
»Allerdings.« Farmer nickte. »Sie sah
so irisch aus, mit diesen Mengen von rotem Haar und der blassen Haut. Das Haar
sei gefärbt, sagten die Frauen. Sie trug Shorts und Trägerhemdchen, die ihre
Figur zur Schau stellten, und sie ging fast immer barfuß. Die Männer liefen ihr
hinterher wie Hündchen, aber auch die Frauen schlossen sie bald ins Herz. Sie
sagten, sie habe nichts Böses. Sie war natürlich und freundlich und
interessierte sich sehr für ihre Wurzeln und für unser Volk. Sie war großzügig,
und sie lachte über sich selbst, nicht über andere.«
»Sie reden, als hätten Sie Fenella gut
gekannt, aber Sie sagen doch, Sie sind ihr nie begegnet.«
»Bin ich auch nicht, aber es fühlt sich
an, als hätte ich sie gekannt. Ich kam damals zu Weihnachten ins Reservat
zurück und blieb bis in den Januar. Da lebte das Gerede über Ihre Großtante
wieder auf, weil sie Geschenke schickte und außerdem noch zwei große Kisten
Florida-Orangen.«
»Was hat Fenella im Reservat gemacht?«
»Hauptsächlich das, was meine Schüler ›herumhängen‹
nennen. Sie brachte die Frauen dazu, ihr die Techniken einiger Kunsthandwerke
beizubringen, und sie saß oft bei einem Alten, der ein Geschichtenerzähler war,
um etwas über die Legenden und die Geschichte des Stammes zu erfahren. Sie
machte mit den jungen Leuten Spritztouren in ihrem Sportwagen, quetschte sie
einfach rein und fuhr los. Nach sechs Wochen reiste sie wieder ab, aber sie hat
bis zu ihrem Tod Briefe geschrieben und Geschenke geschickt.«
Vielleicht fand sich
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