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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ja etwas von
dieser Korrespondenz in dem Karton, den John in Pas Haus gefunden hatte. »Ich
will Ihnen etwas zeigen«, sagte Elwood Farmer. Er ging an ein Bücherregal, wo
ein paar gerahmte Fotos standen, und brachte mir eins davon. Der Rahmen war
eine Knochenschnitzerei — eine Reihe von Büffeln, die Kopf an Schwanz
dahinzogen — und von unzähligen Fingern abgegriffen. Ich sah Farmer fragend an.
    »Mein Vater hat ihn gemacht, aus den
letzten Büffelknochenresten, die der Vater meiner Mutter aufbewahrt hatte,
nachdem der Weiße Mann die Herden dezimiert hatte.« Die Trauer in seiner Stimme
war so groß, als hätte er selbst noch zu denen gehört, die den Bison jagten und
denen er Nahrung, Kleidung, Obdach, Werkzeuge und Waffen lieferte.
    Ich sah auf das körnige
Schwarzweißfoto: eine Gruppe von sechs Personen, in der Mitte Fenella. Meine
Großtante lächelte in die Kamera, in engen Shorts und einer schulterfreien
Folklorebluse, die Augen hinter einer großen Schmetterlingssonnenbrille
verborgen. Umgeben war sie von vier konservativer gekleideten Indianerinnen,
alle vermutlich noch unter zwanzig, und einem etwas älteren Weißen, dessen
Gesicht ein Cowboyhut beschattete. »Wer sind diese Leute?«, fragte ich.
    »Junge Frauen aus dem Reservat.« Er
ging sie mit dem Zeigefinger durch. »Lucy Edmo, Barbara Teton, Susan New Moon,
Saskia Hunter.«
    »Und der Mann?«
    »...Keine Ahnung. Vielleicht ein
Besucher, so wie Ihre Großtante.«
    »Die Art, wie sie lächeln — sieht aus,
als wären sie alle gut befreundet gewesen.«
    »Waren sie auch.«
    Ich studierte den Foto-Hintergrund, ein
verputztes Steinhaus mit einem Schild, das ich aber nicht lesen konnte. »Wo
wurde das aufgenommen?«
    »Bei der alten Handelsstation in Fort
Hall. Die ist inzwischen verschwunden, jetzt befindet sich dort ein
Supermarkt.«
    Ich nickte und legte das Foto auf das
Tischchen zwischen unseren Schaukelstühlen. So vieles war inzwischen
verschwunden, vielleicht auch all diese Menschen. »Wissen Sie, wo ich die
Frauen da auf dem Bild finden kann?«
    Er schüttelte den Kopf, und sein Blick
wurde leer. Ich spürte, dass ihm eine dieser Frauen etwas bedeutet hatte und
dass er deshalb das Foto in diesem kostbaren Rahmen all die Jahre aufbewahrt
hatte.
    »Fällt Ihnen irgendjemand ein, der mir
vielleicht mehr über Fenellas Aufenthalt im Reservat erzählen könnte?«
    »Na ja, vielleicht Agnes Running Horse,
meine Cousine. Sie wohnt an der Middle Fork des Flathead River, in der Nähe vom
Glacier-Nationalpark.«
    »Wäre sie denn bereit, mit mir zu
reden?«
    Etwas regte sich unter der starren
Oberfläche seiner Augen, ein tiefes, dunkles Etwas, das ich nicht benennen
konnte. »Sie wird es bestimmt tun.«
    »Wie weit ist es dorthin?«
    »Hundert Meilen, über den Daumen, aber
die Straßen sind nicht die besten. Trotzdem, heute Nachmittag können Sie dort
sein.«
    »Könnten Sie sie anrufen und ihr sagen,
wer ich bin und dass ich komme?«
    Er nickte, nahm einen Block vom Tisch
und machte mir eine Wegskizze.
    Als ich aufstand, sagte ich: »Vielen
Dank, Mr. Farmer.«
    »Sie brauchen sich nicht zu bedanken.
Aber ich hoffe...«
    »Ja?«
    Er schüttelte den Kopf, als wäre es
nicht so wichtig. »Ich möchte Ihnen etwas schenken.« Er nahm das Foto vom
Tisch, strich sachte über den Rahmen, drückte es mir dann in die Hand.
    Mein erster Impuls war, ein so
kostbares Geschenk keinesfalls anzunehmen, aber dann dachte ich an Will Camphouses
Warnung, dass das eine Beleidigung wäre, und streichelte stattdessen ebenfalls
den Rahmen. »Ich fühle mich sehr geehrt«, sagte ich. »Und ich werde es hüten
wie einen Schatz.«
    Das dunkle Etwas in seinen Augen regte
sich heftiger. »Das hoffe ich, meine Freundin. Gute Reise.«

11 Uhr 48
     
     
    »Was hat Elwood Ihnen geschenkt?«,
fragte mich Will Camphouse.
    »Woher wissen Sie, dass er mir etwas
geschenkt hat?«
    »Ich weiß es eben.«
    »Na ja, Sie haben Recht.« Ich zog das
gerahmte Foto aus meiner Umhängetasche und zeigte es ihm. Er pfiff leise durch
die Zähne.
    »Ich schätze, das heißt, er findet mich
einigermaßen okay«, sagte ich.
    »Mehr als nur einigermaßen okay. Er hat
Sie als Familienmitglied akzeptiert.«
    »Kennen Sie jemanden von den Leuten da
auf dem Foto?« Er schüttelte den Kopf. »Ich hab’s aber schon bei Elwood
gesehen. Ich weiß nicht, was ihm mehr bedeutet, das Foto oder der Rahmen.«
    »Das weiß ich auch nicht.«
    Wir saßen an einem verwitterten
Picknicktisch im Park gegenüber vom

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