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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Betonblöcken an einem Bootsanleger, und wir setzten uns hin.
Der Fluss war hier schmal. Drüben auf der anderen Seite zogen sich Kiefern und
Gesträuch bis ans Wasser herab. An der Biegung sah ich die Berggipfel des
Nationalparks bläulich in den Dunst ragen.
    »Ich nehme an«, sagte sie, »Mary wollte
diese Zeit vergessen, weil sie so hart war. Auch als sie von Lemhi Valley nach
Fort Hall übersiedelt waren, geizte die Regierung weiter. Häuptling Tendoy war
tot, und keiner seiner Söhne konnte die Regierung dazu bewegen, etwas zu tun.
Und dann war da dieser Mistkerl von einem Indianerbeamten, John Blaine: Wenn
Zuteilungen kamen, pickte er sich selbst das Beste heraus, um es zu verkaufen.
Und Mary nahm er sich auch. Verschleppte sie runter nach Arizona, prügelte sie,
schwängerte sie. Ließ sie sitzen.«
    »Sie hatte ein Kind?«
    »Es starb bei der Geburt. Sie wäre
dabei auch fast gestorben. Sie hockte halb verhungert am Weg, dort bei
Flagstaff, als Ihr Urgroßvater vorbeikam, und sie war nur zu gern bereit, mit
ihm zu gehen. Fenella sagte, Mary werfe ihren Brüdern vor, dass sie sie nicht
vor Blaine gerettet hatten, und wolle deshalb nichts mehr mit der Familie zu
tun haben.«
    Ich erinnerte mich nicht an meine
Urgroßmutter, aber auf einem Tischchen in unserem Wohnzimmer hatte ein Foto von
ihr gestanden: Darauf stand sie streng und steif, in einem schlichten schwarzen
Kleid, mit einem simplen Goldkreuzchen als einzigem Schmuck. Religion, Familie,
weibliche Pflichten, das waren die Mauern gewesen, die sie gegen die Erinnerung
an Not, Gewalt und Verlassenheit errichtet hatte. Ich fühlte Mitleid in mir
aufwallen, sowohl mit dem misshandelten jungen Mädchen als auch mit der
abgeschotteten erwachsenen Frau.
    »Haben Sie sonst noch Fragen?«, wollte
Agnes Running Horse wissen.
    Ich zog das Foto, das mir Elwood Farmer
geschenkt hatte, aus meiner Umhängetasche. »Können Sie mir sagen, wer dieser
Mann ist und wo ich diese Frauen hier finden kann?«
    Sie studierte das Bild eine ganze
Weile, tippte mit dem Zeigefinger gegen den Rahmen. »Wo haben Sie das her?«
    »Von Mr. Farmer. Er hat mir die Namen
der Frauen genannt, aber den Mann kannte er nicht.«
    »Ja — Lucy Edmo, Barbara Teton, Susan
New Moon, Saskia Hunter. Barbara ist tot, Brustkrebs. Alle dachten, Elwood
würde sie heiraten, aber dann hatten sie einen Mordsstreit, als er das letzte
Mal ins Reservat zurückkam, und das war’s dann. Saskia Hunter, die ist, soviel
ich weiß, aufs College gegangen, hat was aus sich gemacht, aber ich weiß nicht,
was. Wundert mich, dass Elwood Ihnen das nicht sagen konnte; sie waren sehr gut
befreundet. Von den anderen beiden weiß ich nichts.«
    Sie hielt kurz inne, sah nachdenklich
auf das Foto. »Heutzutage bleibt ja niemand mehr am selben Ort. Nicht mal ich:
Ich bin vor siebenundzwanzig Jahren aus Fort Hall hier raufgekommen, um mich um
meinen Sohn und die Kinder zu kümmern, als seine Frau gestorben war. Ich
dachte, es sei nur für ein, zwei Jahre, bis er eine neue Frau finden würde.
Aber das ist nie passiert, und ich bin nie wieder nach Hause zurückgekehrt.
Jetzt ist er auch tot, die Kinder sind in alle Winde zerstreut, und ich bin
langsam alt genug, um dran zu denken, zu meiner Tochter nach Kalispell zu
ziehen.«
    Ich sah zu ihr hinüber, entdeckte weder
Traurigkeit noch Bedauern in ihrem Gesicht. So war das Leben nun mal, und sie
war mit ihrem offensichtlich nicht unzufrieden.
    »Der Mann da auf dem Foto«, sagte ich.
»Sind Sie sich sicher, dass Sie ihn nicht kennen?«
    »...Nicht mit Namen. Damals zogen so
viele weiße Burschen in der Gegend herum. Sie hatten diesen Kerouac gelesen,
wollten Beatniks sein oder wie sie das nannten. Meistens Söhne von Eltern, die
mehr Geld als Verstand hatten. Sie tauchten im Reservat auf, fingen was mit
einem Mädchen an und verschwanden dann wieder.«
    »Dieser Mann — er steht neben Saskia
Hunter. Ist sie diejenige, mit der er etwas anfing?«
    »Ja.«
    »Und dann ist er verschwunden?«
    »...Ja.«
    »Und Sie sagen, Sie wissen nicht, was
aus ihr wurde, außer dass sie aufs College ging?«
    »So ist es.«
    »Fällt Ihnen sonst jemand ein, mit dem
ich noch mal wegen Fenellas Aufenthalt im Reservat sprechen könnte?« Sie
schüttelte den Kopf, den Blick auf die fernen Berggipfel geheftet. »Tut mir
Leid, aber in meinem Alter wird man vergesslich. Verliert die Leute aus den
Augen, wenn sie alle in irgendwelche Städte ziehen. Dieser Besuch ist schon so
lange her.«
    So lange her, und

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