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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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doch von solcher
Bedeutung für meine Gegenwart.

23 Uhr 51
     
    Als ich auf dem Flughafen von Missoula
ankam, war der letzte Flieger nach San Francisco längst weg. Wie immer, wenn
ich unterwegs irgendwo strande, entschied ich mich für irgendeine Art des
Weiterkommens und stieg in eine 747 nach Seattle. Als wir in der Luft waren,
befand ich, dass das der Ort war, wo mich dieser Tag hingeführt hatte, und
öffnete das Geschenk von Will Camphouse.
    Es war ein handtellergroßer Ring, mit
hellbeigefarbenem Leder bezogen. In seinem Inneren spannte sich ein Netz aus
feinen Fäden, jeder mit einer eingeknoteten Türkis-Perle. Unten waren, mit
Halterungen aus Silber und Türkis, drei weiße Federn befestigt. Dabei lag ein
Briefchen von Will:
     
    Das ist ein so genannter Traumfänger,
der funktioniert so: Du hängst ihn über dein Bett oder dahin, wo du unterwegs
schläfst, und er fängt die schlechten Träume ab und lässt nur die guten durch.
Das ist das beste Geschenk, das mir für dich eingefallen ist, weil ich vermute,
dass du in den kommenden Nächten so was brauchen kannst. Also schlaf gut,
Freundin. Meine Gedanken sind mit dir.
     
    Ich befühlte die weichen Federn des
Traumfängers, legte ihn dann auf den freien Sitz neben mir. Vielleicht würde er
ja die Dämonen der Nacht abwehren.

Horchübung…
     
     
    Gab eine ganze Menge Schweigepausen in
den Gesprächen des heutigen Tages. Weiß nicht, ob ich sie alle interpretieren
kann. Ist schon nicht leicht bei Leuten, die ich mein Leben lang gekannt habe,
und Elwood Farmer und Agnes Running Horse sind Fremde für mich und noch dazu
aus einer anderen Kultur.
     
    » Wer sind diese Leute?«
    »Junge Frauen aus dem Reservat. Lucy
Edmo, Barbara Teton, Susan NewMoon, Saskia Hunter.«
    »Und der Mann?«
    ».... Keine Ahnung. Vielleicht ein
Besucher, so wie Ihre Großtante.«
     
    Woran denkt Elwood, während er zögert?
Vergegenwärtige dir seine Augen, hinter dem Rauch seiner Zigarette. Zuerst ist
sein Blick unsicher, aber dann wird er fest. Er hat eine Entscheidung getroffen
und bleibt dabei. Welche Entscheidung? Mir nicht zu sagen, wer der Mann ist,
obwohl er’s weiß? Wieso?
     
    »Vielen Dank, Mr. Farmer.«
    »Sie brauchen sich nicht zu bedanken.
Aber ich hoffe...«
     
    Warum beendet er den Satz nicht? Was
hofft er? Und was hat diese dunkle Unterströmung in seinem Blick zu bedeuten?
Da ist Trauer, Schmerz. Gilt das mir? Oder ihm selbst? Oder jemand ganz
anderem?
     
    »Der Mann da auf dem Foto. Sind Sie
sich sicher, dass Sie ihn nicht kennen?«
    »... Nicht mit Namen. Damals zogen so
viele weiße Burschen in der Gegend herum.«
     
    Agnes Running Horse ist keine besonders
gute Lügnerin. Genau wie Elwood weiß sie, wer der Mann ist, will es mir aber
aus irgendeinem Grund nicht sagen. Warum nicht?
     
    »Dieser Mann — er steht neben Saskia
Hunter. Ist sie diejenige, mit der er etwas anfing?«
    »Ja.«
    »Und dann ist er verschwunden?«
    »... Ja.«
     
    Erneutes Zögern. Diesmal guckt sie weg,
auf die Berggipfel, weicht meinem Blick aus. Der Mann ist nicht verschwunden,
jedenfalls nicht auf die gleiche Art wie andere junge Männer, die in der Gegend
herumgezogen und im Reservat gelandet waren. Deshalb wollte mir Mrs. Running
Horse seinen Namen nicht sagen. Sie war offen und lebhaft, als sie von Mary
McCone erzählte. Erst als sie das Foto sah, wurde sie zurückhaltend. Die Art,
wie sie es ansah: da war Schmerz in ihren Augen, aber sie ist keine Person, die
in Selbstmitleid schwelgt. Nein, der Schmerz galt jemand anderem.
    Dieses Foto. Warum hat Elwood Farmer es
mir gegeben? Er hätte mir doch ohne weiteres etwas weniger Kostbares schenken
können. Es sei denn, er hielt es für wichtig, dass ich es besitze. Es sei denn,
es schien ihm zentral für meine Suche...

Montag,
11. September

0 Uhr 14
     
     
    Ich nahm das Foto aus meiner Tasche,
knipste das Leselämpchen über meinem Sitz an und starrte auf das Bild, als
wollte ich die darin eingefangenen Personen durch meine schiere Willenskraft
zwingen, mir ihre Geheimnisse anzuvertrauen. Selbst Fenella schien sich hinter
ihrer großen Sonnenbrille zu verstecken. Das Foto war nicht besonders gut, die
Kontraste wirkten seltsam schwach. Kein guter Fotograf oder keine gute Kamera.
Oder... Ich hielt es ans Licht, inspizierte es genauer. Dann drehte ich es um,
bog die Metallklemmen auf, die es im Rahmen hielten, entfernte die
Kartonabdeckung.
    Glanzpapier, auf der Rückseite
bedruckt. Es war gar kein Originalfoto, sondern

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