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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Kleinigkeit. Hast du irgendwas über das Spirit-Lake-Projekt der DeCarlo
Enterprises gefunden?«
    »Ja. Liegt auf deinem Schreibtisch im
Büro.«
    »Oh.«
    »Ist was?«
    »Du musst es mir in mein Motel in
Monterey faxen. Jetzt sofort.«
    Seufzen. »Okay, das ist ja keine große
Sache. Wie lautet die Faxnummer?«
    Ich gab sie ihm durch.
    »Ich vermute mal, du hast den
Motelmenschen aus dem Bett gezerrt, um an das Faxgerät zu kommen?«
    »Nicht ganz. Er war vor dem Fernseher
eingeschlafen.«
    »Irgendwann lasse ich T-Shirts drucken.
Mit der Aufschrift ›Ich wurde von Sharon McCone um den Schlaf gebracht‹. Ich
werde Millionen davon absetzen und ein Vermögen machen.«
     
    Auf meinem Motelbett sitzend, überflog
ich den gerollten Faxpapierstreifen mit wachsender Bestürzung. Mein leiblicher
Vater hatte, was seine derzeitige Beziehung zu meiner leiblichen Mutter anging,
die Wahrheit ziemlich geschönt.
    Geschönt? Frisiert und umgespritzt!
    Das von Mick zusammengestellte Material
besagte, dass DeCarlos Spirit-Lake-Projekt höchst umstritten war. Eine Gruppe
von Modoc-Indianern aus der nahen Ortschaft Sage Rock hatte gegen das
Erschließungsunternehmen geklagt und sich darauf berufen, dass laut einem
Regierungsvertrag aus dem Jahr 1860 der See sowie eintausend Hektar umliegendes
Land Eigentum ihres Stammes seien. Den Modocs galt der See als heiliger Ort,
weshalb sie sich gegen jede Form der Erschließung wehrten.
    In einer beim Bezirksgericht liegenden
Erklärung hatte ein Anwalt als Vertreter der DeCarlo Enterprises geltend
gemacht, der Vertrag aus dem Jahr 1860 sei nicht von den zuständigen
Regierungsstellen unterzeichnet. Vielmehr stamme der einzig gültige Vertrag
zwischen dem Stamm und den zuständigen Bundesbehörden aus dem Jahr 1964, und
darin sei die Umsiedlung der Modocs aus Kalifornien in ein Klamath-Reservat in
Oregon festgelegt.
    Der juristische Vertreter der Modocs
entgegnete, dass der Vertrag von 1860 von den Modocs in gutem Glauben
unterzeichnet worden sei; der Stamm dürfe nicht für sein Vertrauen darein
bestraft werden, dass der Vertreter der Bundesregierung entsprechend
bevollmächtigt gewesen sei. Der Schriftsatz zitierte verschiedene
Präzedenzfälle und forderte die Rückgabe des Spirit Lake und der umliegenden
eintausend Hektar an die Modocs.
    Der juristische Vertreter der Modocs
war Saskia Blackhawk.
    Kein Wunder, dass DeCarlo gezögert
hatte, als ich wissen wollte, ob er noch Kontakt zu ihr habe. Kein Wunder, dass
er den wahren Grund seiner Informiertheit über sie verschleiert hatte. Mein
leiblicher Vater schien nicht wahrheitsbeflissener als meine Adoptiveltern.
    Was tun? Die logische Reaktion wäre,
Austin DeCarlo zur Rede zu stellen. Oder mit Saskia Blackhawk zu sprechen, die
Sache zu klären.
    Aber Logik und das Diktat der eigenen
Emotionen sind manchmal zweierlei. Also stand ich auf, warf die paar Sachen,
die ich ausgepackt hatte, wieder in meine Reisetasche und fuhr geradewegs zu
Hys Ranch in Mono County.
     
     
     
     

8
Uhr 27
     
     
    Hy schlief, als ich ins Schlafzimmer
des Ranchhauses spähte, aber bei meinem ersten Schritt fuhr er hoch, hellwach
und aktionsbereit, wie immer, wenn er aufgeschreckt wurde — Relikt eines zu
gefährlichen Lebens in längst vergangenen Zeiten. Als er mich sah, entspannte
er sich und schlug grinsend die Decke zur Seite.
    »Nette Überraschung, McCone. Zieh dich
aus und komm her.«
    Obwohl der Anblick seines langen,
schlanken Körpers sehr verlockend war, schüttelte ich den Kopf. »Jetzt nicht.
Ich muss mit dir reden.«
    »Wenn du mir einen Korb gibst, muss es
was Ernstes sein. Moment. Die Kaffeemaschine ist betriebsbereit; du brauchst
sie nur anzustellen.«
    Ich ging in die Küche, schaltete die
Maschine an und setzte mich an den Tisch. Der Raum sah ziemlich so aus, wie er
in Hys Kindheit ausgesehen haben musste: schwarzweißes Linoleum, weiß lackierte
Schränke mit Spanngardinchen hinter den Glasscheiben, gelbe
Resopal-Arbeitsflächen, altmodischer Herd und Kühlschrank. Der Tisch passte zu
den Arbeitsflächen, die Stühle waren aus verchromtem Stahlrohr, mit roten
Plastiksitzen. Absolut retro, und für den Inhalt der Schubladen und Schränke hätte
ein Sammler vermutlich gemordet. Ich war froh, dass Hy praktisch nichts an
diesem Haus verändert hatte, denn es vermittelte ein Gefühl von Dauerhaftigkeit
und Kontinuität. Die Welt mochte gänzlich aus dem Ruder laufen, aber das hier
war ein Refugium, eine Brücke zu einer intakteren

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