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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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durchzogen und
bebaute Felder ein Schachbrettrelief auf dem Braun bildeten. Ein Fluss mit
seinem Grüngürtel markierte den Rand des Stadtkerns; Hochhäuser und die Kuppel
des Parlamentsgebäudes von Idaho funkelten in der Nachmittagssonne. Dahinter
wucherten Neubausiedlungen den Bergen im Norden und Osten entgegen. Einem
Artikel im Bordmagazin hatte ich entnommen, dass Boise und auch Idaho überhaupt
zu den wachstumsintensivsten Gebieten der USA gehörten. Staats- und
Bundesbehörden und die Industrie boten Arbeitsplätze aller Art, und die
niedrigen Lebenshaltungskosten hatten qualifizierte Arbeitskräfte von überall
her angelockt, sogar aus Kalifornien. Mein Sitznachbar — der redselige Typ, dem
ich normalerweise aus dem Weg zu gehen suche, dessen Geplauder mir aber in
dieser angespannten Situation gerade recht kam — pendelte zweimal wöchentlich
zwischen seinem Wohnort Santa Clara und seinem Job bei Micron Technology in
Boise hin und her und hoffte, seine Familie nachholen zu können, sobald das
Haus in Silicon Valley verkauft war.
    Selbst der Flughafen sprach für Boise:
Ich hatte zwar nur eine Bordtasche, aber als ich am Gepäckkarussell vorbeikam,
war das Gepäck meines Flugs schon da. An den Mietwagenschaltern waren keine
Schlangen, und die Fahrzeuge standen, jedenfalls bei den meisten Firmen, nur
ein paar Schritte weiter. Ein freundlicher Angestellter markierte mir auf dem
Stadtplan den unkompliziertesten Weg zur Eighth Street am Nordrand der Stadt,
wo Blackhawk & Blackhawk residierten.
     
    Das Anwaltsbüro befand sich in einem
älteren Haus, in einer Gegend mit Schatten spendenden Bäumen und Wohnhäusern,
die inzwischen größtenteils gewerblich genutzt wurden. Es war ein Holzhaus,
zweistöckig, mit einer tiefen, von Pfeilern getragenen Eingangsveranda und
einem steilen Spitzdach über dem runden Dachgeschossfenster. Seidenmatte rote
und grüne Zierelemente hoben sich von der hellgrauen Wandfarbe ab, und Rasen
und Hecken waren säuberlich gestutzt; meine leibliche Mutter mochte es offenbar
gepflegt, und ihre Kanzlei schien zu florieren.
    Ich parkte im Schatten einer alten
Ulme, deren Laub sich gerade zu färben begann, und blieb erst mal im Wagen
sitzen. Der Nachmittag war lau, die Straße ruhig, aber ich fror, und meine
innere Stimmung war alles andere als heiter-gelassen. Ein graues Eichhörnchen
huschte über die Fahrbahn, und ich beobachtete es gebannt. Ich verspürte die
gleiche Ambivalenz wie dort vor dem Restaurant in Monterey, ehe ich auf Austin
DeCarlo zugegangen war. Aber diesmal waren die Gefühle heftiger und komplexer,
wie so off zwischen Mutter und Tochter. DeCarlo hatte in dem Drama um meine
Geburt kaum eine Rolle gespielt, aber Saskia Hunter war die Hauptdarstellerin
gewesen.
    Am Montagabend hätte ich noch
kehrtmachen und weggehen können, ohne DeCarlo auch nur von Angesicht zu
Angesicht gesehen zu haben. Da hatte ich noch nicht so tief dringesteckt, und
es hätte vielleicht genügt, einfach nur zu wissen, wer meine leiblichen Eltern
waren. Doch stattdessen hatte ich diesen unwiderruflichen Schritt getan, und
jetzt, da ich seine Geschichte gehört hatte, musste ich auch ihre hören. Also
spielte ich innerlich das Advocatus-Diaboli-Spielchen, um mich dazu zu bringen,
aus diesem Wagen zu steigen.
    Du musst es nicht tun. Du kannst
einfach wegfahren und Punkt.
    Aber ich würde es bis an mein
Lebensende bereuen.
    Diese Frau hat dich gleich nach deiner
Geburt weggegeben. Sie ist vermutlich ein grässlicher Mensch. Und von Freunden
und Klienten mal abgesehen, stehst du nicht gerade auf Rechtsanwälte.
    Sie hat mich weggegeben, damit ich
nicht in Joseph DeCarlos Klauen gerate. Und sie ist keine typische Anwältin;
sie engagiert sich für ihr Volk.
    Aber sie wird gar nicht entzückt sein,
dich zu sehen. Sie hat zwei eigene Kinder. Sie hat doch vermutlich die ganze
Zeit gewusst, wo du steckst, und sich einen Dreck darum geschert. Vielleicht waren die beiden Kinder ja
auch eine Art Kompensation für das, was sie verloren hatte. Vielleicht hat
Fenella ihr ja nicht gesagt, wer mich adoptiert hat. Glaubst du das wirklich ?
    Ich will es glauben, und ich gehe jetzt
da rein.
     
    Handgewebte Teppiche in leuchtenden
Farben lagen auf dem Dielenboden des Eingangsflurs. Eine steile Treppe tnit
einem Mahagonigeländer führte ins Obergeschoss. Auf einem Schild mit der
Aufschrift Anmeldung zeigte ein
Pfeil nach rechts. Ich trat durch einen Türbogen und sah eine junge Frau, deren
schwarzes Haar mit einem

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