Gefährliche Stille
befreundet
seid und du noch so lange in diesem Bereich gearbeitet hast, ist mir doch klar,
dass die Juristerei nicht gerade deine Leidenschaft ist.«
»...Stimmt. Aber ich werde sie
vermissen.« Er sah einen Moment nachdenklich drein, fragte dann: »Und wie hast
du deinen Anspruch durchgesetzt?«
»Sagen wir mal, du bist wohl der
einzige Große Zampano in dieser Stadt, der beim Pokern gewonnen wurde.«
»Du grüne Neune. Na gut, ich nehme dein
Angebot an, samt Titel und allem.«
»Ist auch mit einer Gehaltserhöhung
verbunden. Und ich plane, einen Assistenten für dich einzustellen. Und noch ein
paar neue Mitarbeiter.«
»Wo sollen wir die unterbringen? Hier
ist alles voll.«
»Wir übernehmen die Räume von Altman
und Zahn.«
»So gut läuft das Geschäft? Na ja,
klar, tut es. Ich sollte es ja wissen, bin schließlich derjenige, der die
Rechnungen ausstellt.« Er runzelte die Stirn.
»Ist was?«
»Ach, ich musste nur gerade an die
alten Zeiten denken. Als du dieses fürchterliche Studio in der Guerrero hattest
und wir übrigen uns in diese Villa in Bernal Heights gequetscht haben. Die
meisten Leute hätten das wohl als armselige Existenz empfunden, aber wir
wollten nichts weiter als die Welt retten.«
»Na ja, eine kleine Anwaltskooperative
konnte das nun mal nicht schaffen. Außerdem, was ist verkehrt dran, unsere
Rechnungen zahlen zu können und wie erwachsene Menschen zu leben?«
»Nichts, aber irgendwie hab ich
komischerweise das Gefühl, dass wir beide, du und ich, immer noch drauf aus
sind, die Welt zu retten.«
»Die Welt nicht, aber wenigstens ein
paar Leute. Damals hatten wir viel zu hohe Ansprüche. Bescheidene Ziele sind
realistischer.«
»Schon, aber im Moment hab ich’s mehr
mit der Unbescheidenheit. Wie hoch soll die Gehaltserhöhung ausfallen?«
Ted hatte einen Stapel Telefonbotschaften
in mein Büro gelegt, alle von Klienten, außer einer: Austin DeCarlo, der
zurückgerufen werden wollte. Ich legte den Zettel exakt an die vordere
Schreibtischkante an und trommelte mit den Fingern darauf herum, während ich
überlegte, was ich tun sollte. Schließlich griff ich zum Telefon und wählte.
DeCarlo nahm sofort ab.
»Was war denn los?«, fragte er. »Du
hast gesagt, du würdest heute Morgen anrufen. Ich hatte gehofft, diesen Tag
damit verbringen zu können, dich ein bisschen kennen zu lernen.«
»Es gab da Probleme mit einem unserer
Fälle, und weil es ein wichtiger Kunde ist, musste ich hierher zurück. Ich
wollte dich später noch anrufen.« Eine glatte Lüge. Unser Verhältnis fing
wirklich prima an!
»Ich könnte ja morgen zu dir
rauffliegen.«
»Tut mir Leid, ich muss verreisen.«
»Ach, wohin denn?«
Ich konnte nicht Lüge auf Lüge türmen.
»Nach Boise. Ich muss zu meiner... Mutter.«
Schweigen. »Tja, das wird wohl so sein.
Aber ich würde dich gern vorher noch sehen.«
Natürlich; er wollte mir das mit dem
Spirit-Lake-Projekt so erklären, dass ich mich nicht gegen ihn wenden würde.
»Austin... ist doch okay, wenn ich dich so nenne? Ich kann mir nicht
vorstellen, jetzt plötzlich Daddy zu dir zu sagen.«
Er lachte. »Und ich kann’s mir
überhaupt nicht vorstellen, Daddy genannt zu werden. Austin ist in Ordnung. Was
wolltest du sagen?«
»Ich weiß von dem Spirit-Lake-Projekt
und dem Prozess.«
Neuerliches Schweigen.
»Und ich vermute außerdem, dass ihr
immer noch böse aufeinander seid, du und Saskia, auch nach all den Jahren noch,
und dass es durch diesen Rechtsstreit nicht gerade besser geworden ist. Deshalb
bin ich innerlich offen und werde es auch bleiben, egal, was sie mir erzählt.«
»Du bist sehr weise.«
»Ganz und gar nicht. Aber ich habe in
meinem Beruf genügend Elend gesehen, um zu wissen, wie belastend so ein
emotionales Spannungsfeld sein kann. Ich habe nicht vor, mich belasten zu
lassen — weder von Saskia noch von dir.«
»Na ja, dann gute Reise. Ich schätze,
es ist taktisch nicht besonders geschickt, dir Grüße an deine Mutter aufzutragen,
aber wenn du’s anders siehst, richte ihr welche aus. Und ruf mich an, wenn du
wieder da bist, dann fliege ich rauf und besuche dich.«
Als ich auflegte, dachte ich, dass mich
nur die Erfahrung mit einer so schwierigen Familie wie den McCones darauf hatte
vorbereiten können, die Stolperdrähte und Fallgruben dieses neuen
Familienterrains zu umgehen.
Mittwoch,
13. September
14
Uhr 40
Aus der Luft sah Boise hübsch aus. Es
lag inmitten von Wüstenland, wo Bewässerungsgräben den Boden
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