Gefährliche Stille
absichtlich angefahren.«
Ich fasste sie am Arm und zog sie
beiseite, da ein Pfleger eine Rolltrage an uns vorbeischob. »Kommen Sie, wir
setzen uns hin, dann können Sie’s mir erzählen.«
Die Theorie der Polizei war wohl
fundiert. Saskia hatte sich zum Essen mit einem Vertreter der Coeur d’Alene
getroffen, die gegen die Regierung prozessierten. Es ging um Fischrechte auf
ihrem Stammesland. Sie hatten in Milford’s Fish House gegessen, im Eighth
Street Marketplace im Zentrum. Etwa um sieben Uhr fünfundvierzig hatte ihr
Pager gepiept, und sie hatte sich entschuldigt, um ein Münztelefon zu suchen
und zurückzurufen. Sie war nicht wieder an den Tisch zurückgekehrt.
Laut Aussage eines anderen Gastes hatte
Saskia keine zwei Minuten telefoniert und dann das Restaurant verlassen. Ein
Angestellter, der zu diesem Zeitpunkt gerade draußen Pause gemacht hatte, hatte
den Beamten erklärt, sie sei die Eighth Street in Richtung Fluss entlanggegangen
statt zu dem Parkhaus, dessen Gebühren das Milford’s den Gästen erstattete. Und
tatsächlich hatte die Polizei ihren Ford Escort dort gefunden.
Etwa fünfzehn Minuten, nachdem sie das
Milford’s verlassen hatte, war Saskia angefahren worden, von einem blauen
Datsun, der mit hoher Geschwindigkeit die Tenth Street zwischen Miller und
River Street entlangschoss — ein Gewerbegebiet, nachts so gut wie verlassen.
Ein Zeuge, der auf dem Heimweg in eine nahe Sozialsiedlung gewesen war, hatte
den Unfall der Notrufzentrale gemeldet. Er hatte den Beamten dort erklärt, der
Wagen habe mit laufendem Motor einen Block weiter gewartet, als Saskia um die
Ecke Tenth Street gekommen sei; der Fahrer habe Gas gegeben, sei über die
Kreuzung geschossen, habe extra einen Schlenker gemacht, um sie zu erwischen,
und sei dann davongerast — aber vorher hatte sich der Zeuge noch die Nummer
eingeprägt. Eine halbe Stunde später war der Datsun — der am Spätnachmittag
gestohlen gemeldet worden war — ein paar Blocks weiter gefunden worden, verlassen
und sorgsam von Fingerabdrücken gereinigt.
»Klingt nach einem Profi«, sagte ich zu
Robin.
»Das hat die Polizei auch gesagt.«
»Diese Pager — zeigen die nicht die
Nummer des letzten Anrufers an?«
»Er ist bei dem Aufprall zertrümmert
worden. Die Polizei hat die Nummer festgestellt, die sie vom Restaurant aus
angerufen hat — ein Handy, dessen Besitzer offenbar schwer zu ermitteln ist.«
»Wahrscheinlich eins von diesen illegal
geklonten Dingern.«
Robin nickte, fuhr sich mit den Händen
übers Gesicht. »Sharon, sie haben gefragt, ob Mom Feinde hat, und sie wollten
morgen früh vorbeikommen und die Akten über ihre aktuellen Fälle durchgehen.
Ich habe gesagt, dass das nicht geht — Anwaltsgeheimnis — , dass ich sie ihnen
aber mündlich referiere.«
»Das könnte hilfreich sein. Bei den
Dingen, für die sie sich engagiert, muss sich Ihre Mutter doch Feinde gemacht
haben.«
»Ja, klar. Aber ich kann mir nicht
vorstellen... Der Mandant, mit dem sie essen war? Da geht’s um die Rechte der
Coeur d’Alene auf Fischgründe, die die Regierung an einen Holzkonzern
verpachtet hat. Die Sache passt weder diesem Unternehmen noch der Holzindustrie
generell, aber man fährt doch keinen Menschen über den Haufen, nur weil er die
gegnerische Seite vor Gericht vertritt. Und dann ist da noch ein Fall in
Kalifornien — ein Großteil ihrer Fälle sind Bundesrechtssachen — , von dem sie
gesagt hat, er kriege was Persönliches. Da geht sie gegen einen Bauunternehmer
an, mit dem sie früher mal eine ziemlich böse Erfahrung gemacht hat. Aber es
schien nicht so, als hätte sie Angst, er könnte sie umbringen .«
Austin DeCarlo. Sobald die Polizei zu
ermitteln begann, würde diese böse Erfahrung ans Licht gezerrt werden, und die
Presse würde Wind davon bekommen. Dann würden weder er noch ich noch irgendein
Mitglied der Familien Blackhawk oder McCone verhindern können, dass die Sache
an die Öffentlichkeit kam.
Ich fragte: »Hat sie gesagt, was für
eine schlechte Erfahrung das war?«
»Nein. Mom ist sehr verschwiegen; hat
mich schon gewundert, dass sie überhaupt was davon gesagt hat. Das hätte sie
nie getan, wenn nicht er oder sein Anwalt irgendwas getan hätte, was sie in
Rage gebracht hat.«
»Wann war das?«
»Letzten Monat. Ich weiß nicht mehr
genau...«
»Ms. Blackhawk?« Eine Frauenstimme
hinter uns.
Wir standen beide auf, drehten uns um.
Die Ärztin wirkte grimmig und müde; ihr beruhigendes Lächeln war eine
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