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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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eingeschüchtert, dass ich es nicht gewagt habe, dem jemals selbst
nachzugehen.« Sie hielt inne, holte tief Luft. »Das Baby waren Sie, stimmt’s,
Sharon?«
    »...Ja.« In gewisser Weise war es erleichternd,
dass es endlich draußen war.
    Robin sah auf ihre Hände und begann
wieder zu weinen. Oh, Gott, dachte ich. Das verkraftet sie nicht auch noch,
nicht jetzt. Sie wird mich dafür hassen!
    Ich sagte: »Tut mir Leid, dass das in
so einem Moment kommt.«
    Sie murmelte etwas.
    »Was?«
    »Ich sagte, es braucht dir nicht Leid
zu tun. Du weißt nicht, wie off ich davon geträumt habe, dich zu finden. Und
dann, am allerschlimmsten Tag meines Lebens, bist du auf einmal da und hilfst
mir, ihn durchzustehen.«
     
    Als Robin und ich die Stufen der
Eingangsveranda hinaufstiegen, regte sich etwas im Dunkeln — eine drahtige
Gestalt, etwa so groß wie ich, mit einem irgendwie unförmig aussehenden Kopf.
Ich schaltete innerlich auf Selbstverteidigung, aber Robin stieß einen Erleichterungsseufzer
aus. »Darce! Da steckst du also.«
    »Robbie? Ich hab das mit Mom gehört,
aber ich hab es nicht gebracht, ins Krankenhaus zu fahren, also bin ich hierher
gekommen.« Der kindliche Tonfall passte nicht zu seiner tiefen Stimme.
    Robin schloss auf, langte durch den
Türspalt, um die Außenbeleuchtung anzuknipsen, und ich sah zum ersten Mal
meinen Halbbruder. Sie hatte mir von den lila Haaren erzählt, aber nicht
dazugesagt, dass sie sich auf seinem Kopf bauschten und türmten wie eine
Portion Zuckerwatte. Sein Gesicht war eine maskulinere Version des ihren, und
auf seiner Oberlippe spross ein verunglücktes Bärtchen. Auf beiden Nasenflügeln
glitzerten Metallstecker, von seinem rechten Ohrläppchen hing ein
Federohrgehänge, und die eine Augenbraue umspannten zwei kleine Metallringe. Er
trug schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit der silbern glitzernden
Aufschrift DEEMONZ!
    »Robbie?«, sagte er wieder. »Ist
Mom...?«
    »Sie ist operiert worden.« Sie ging zu
ihm hin, nahm ihn am Arm. »Lass uns reingehen, dann erzähl ich’s dir.«
    »Ich will hier bleiben. Kannst du das
Licht da nicht ausmachen?« Er guckte blinzelnd zur Türlampe empor. Robin
musterte ihn genauer. »Was hast du genommen?«
    »Ich hab nur ein bisschen Dope
geraucht, weiter nichts.«
    »Ach.«
    »Hey, fang nicht damit an, okay?«
    »Was würde das schon nützen?« Sie sah
mich Entschuldigung heischend an, und Darcy bemerkte meine Anwesenheit.
    »Wer zum Teufel ist das?«
    »Eine Freundin. Sie hat mich ins
Krankenhaus gefahren.«
    »Sie sieht aus wie Mom.«
    »Sie ist auch mit uns verwandt.«
    »Von Moms Seite her? Mom will doch mit
diesen Leuten nichts zu tun haben.«
    »...Na ja, mit ihr schon. Los, komm
rein, Darce.«
    Er sperrte sich, starrte mich an. »Wie
heißen Sie?«
    »Sharon McCone.« Ich streckte ihm die
Hand hin.
    Er ignorierte sie. »Wie sind Sie mit
meiner Mutter verwandt? Woher kommen Sie?«
    »Darcy!« Robin zerrte jetzt an seinem
Arm. »Rein mit dir! Wir müssen über Mom reden.« Diesmal sträubte er sich nicht,
starrte mich aber weiter über die Schulter an, während sie hineingingen.
    Ich blieb auf der Eingangsveranda
stehen, an einen Pfosten gelehnt, und atmete die kalte Mitternachtsluft. Robin
würde ihren Bruder sicher beruhigen wollen, und sie würde die Dinge schonender
verpacken können, wenn sie’s nicht vor mir zu tun brauchte.

Donnerstag,
14. September

3
Uhr 09
     
     
    Geräusche im Dunkeln.
    Sie hatten mich geweckt, und ich lag in
dem Pfostenbett im Blackhawk’schen Gästezimmer und horchte. Wieder knarzte
unten eine Diele, und jemand schien gegen irgendetwas zu stoßen. Robin, die
nicht schlafen konnte? Darcy, der dort unten herumstolperte, unter der Wirkung
der Schlaftablette, die ihm seine Schwester verabreicht hatte, nachdem sie
darauf bestanden hatte, dass er hier übernachtete statt in seinem Apartment?
    Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich
versuchte, mir einzureden, dass ich mir das nur einbildete, aber die Geräusche
klangen irgendwie verstohlen.
    Ich schlüpfte unter der Daunendecke
hervor, warf den geliehenen Morgenrock über. Unter der Tür zog es kalt herein,
als ob irgendwo noch eine Tür oder ein Fenster offen stünde. Ich drehte den
Türknauf, spähte hinaus ins Dunkel. Wenn Robin oder Darcy dort unten unterwegs
wäre, würde doch Licht brennen. Na ja, vielleicht hätte Darcy kein — Erneutes
Knarzen, diesmal näher. Wo? Wahrscheinlich im Treppenhaus.
    Ich grabbelte auf der Kommode nach
meiner Tasche,

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