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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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darauf oder starteten gleich wieder durch, wobei sie
beinahe die spiegelartige graue Wasserfläche streiften.
    Hy ließ den Wagen rollen, und unten am
Kieselufer stiegen wir aus. Das Wasser war gespenstisch glatt und still, ich
hörte nichts als das Schreien der Vögel. »Kein Wunder, dass er den Modocs als
heilig galt«, sagte ich.
    »Ich hoffe, uns ist er nicht zu heilig,
um hier zu essen. Ich bin am Verhungern.«
    »Ich auch.«
    Wir breiteten das Picknick, das wir in
dem kleinen Lebensmittelmarkt im Ort gekauft hatten, auf einem Felsvorsprung
über dem Wasser aus. Fein gehackte, angemachte Eier, Salami, Provolone, Cracker
und Birnen und zum Hinunterspülen einen billigen, aber genießbaren Wein. Ein
Festmahl. Als ich satt war, lag ich auf dem Rücken da, spürte die vom Stein
gespeicherte Sonnenwärme durch mein Hemd und den leichten Wind im Gesicht.
    »Ripinsky, ich hoffe, Austin verliert
den Prozess.«
    »Ich auch.«
    »Wenn er diesen Ort hier kaputtmacht,
dann glaube ich nicht, dass ich irgendwas mit ihm anfangen kann. Ich habe schon
meinen Adoptivvater verloren. Ich werde vielleicht meine leibliche Mutter und
Ma verlieren. Ich will ihn nicht auch noch verlieren.«
    Hy schwieg, wartete, dass ich mich
aussprach. Aber ich hatte nichts mehr zu sagen, also setzte ich mich auf, um
ihm beim Einsammeln der Überreste unseres Mahl zu helfen. Dann gingen wir zum
Pick-up zurück.
    »Wohin jetzt, McCone?«
    »Wohin dieser Weg uns führt.«
     
    »Verdammt, dieses Schlagen muss
irgendwas mit dem Keilriemen zu tun haben«, sagte Hy.
    »Klingt so.«
    »Diese Karre! Sähe uns beiden ähnlich,
hier mitten im Nichts liegen zu bleiben.« Er fuhr an den Wegesrand, stieg aus
und klappte die Haube hoch. Ich stieg ebenfalls aus.
    »Der Keilriemen ist total zerschlissen«,
sagte er, über den Motorraum gebeugt. »Glaube nicht, dass wir damit in die
Zivilisation zurückkommen.«
    »Ich dachte, Pete hält das Ding so
liebevoll in Schuss.«
    »Tut er auch.« Hy beugte sich weiter
vor. »Ach. Sehr interessant. Guck dir das mal an.«
    Ich folgte seinem Zeigefinger. Der
Keilriemen war zerschlissen, ja, aber ausgelöst worden war dieser Prozess durch
saubere kleine Einschnitte. »Jemand wollte nicht, dass wir allzu weit kommen.«
    »Oder dass wir bald wieder zurück
sind.«
    »Und jetzt?«
    »Ich schaue mal in die Werkzeugkiste
hinten auf der Pritsche, vielleicht ist da ja ein Ersatzkeilriemen drin. Kann
gut sein.«
    Ich wandte mich ab und ging den Weg
entlang, in die Richtung, wo er eine scharfe Kurve nach Westen machte. Der
Boden hier war rau, schlackeartig, durchsetzt mit hellem Bimsstein, alles
vulkanischen Ursprungs. Die Lavafelder, von denen mir Austin erzählt hatte,
konnten nicht weit sein. Beifuß und Bartgras drängten sich zwischen schwarzen
Gesteinshuppeln, und verdorrte Goldastern raschelten im Wind. Ich ging um die
Kurve und blieb verblüfft stehen.
    Vor mir lag ein ebenes Areal voller
bizarrer Gesteinsformationen, hoch aufragender Felsdome, tief eingeschnittener
Spalten. Unter der kargen Vegetation und der losen Schlacke war der Grund
glänzend schwarz und wellig, als ob eine Riesenhand hier eine
lebensvernichtende Flüssigkeit ausgekippt hätte; die Gesteinsformationen
reckten ihre verwachsenen Arme gen Himmel, als ob sie sich losreißen wollten.
Der Wind blies hier kälter, pfiff um die grotesken Formen und heulte durch die
Spalten. Grüne Koniferen, rotgelbe Laubbäume und die allgegenwärtigen
Goldastern stachen von dem endlosen Schwarz ab und wirkten wie Clowns auf einer
Beerdigung.
    Ich verschränkte die Arme, umfasste
meine Ellbogen. Obwohl Hy gleich dort hinter der Kurve war, fühlte ich mich
schrecklich allein. Das hier hätte eine Landschaft nach dem Ende unserer Welt
sein können und ich die einzige Überlebende.
    »McCone?«
    »Hmmm?« Ich wusste nicht, wie lange ich
auf die leblose Szenerie gestarrt hatte.
    »Wo warst du?«
    »Nur... in Gedanken.«
    »Worüber hast du nachgedacht?«
    »Die Lavafelder.« Ich zeigte hin.
»Austin sagt, sie sind imposanter als die im Naturpark.«
    Er musterte sie einen Moment. »Kann
sein.«
    Etwas in seinem Ton verriet mir sein
Unbehagen. »Du fühlst dasselbe wie ich.«
    Was ich empfand, war unbenennbar — es
sei denn, ich wollte das Wort teuflisch sagen.
     
    »Meinst du, das war mal eine
Ortschaft?«, fragte ich. »Eher so eine Art erweiterte Tankstelle.«
    Hy hatte einen Ersatzkeilriemen in der
Werkzeugbox gefunden, also waren wir zum Pick-up zurückgegangen und auf

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