Gefährliche Stille
meint mich. Aber in Wirklichkeit wollte sie, dass ich — oder
die Person, für die sie mich hielt — diesen Ort finde. Wieso?«
»Hat wohl mit dem Prozess gegen Austin
zu tun, schätze ich.« Er legte sich aufs Bett und gähnte. »Vielleicht weiß
Robin ja was.«
»Stimmt.« Ich ging zum Telefon, wählte
die Blackhawk’-sche Nummer. »Keiner da, verflixt.«
»Warum rufst du dann nicht Austin an?«
»Sollte ich, ja, aber...«
»Hast du Probleme, ihn als Vater zu
akzeptieren?«
»Er ist nicht gerade ein liebenswerter
Mensch.«
»Seine Familie kann man sich nun mal
nicht aussuchen.«
»Nein, aber es ist leichter, die Leute
mit ihren Fehlern zu akzeptieren, wenn man sie immer schon um sich hatte.« Ich
zögerte noch einen Moment, wählte dann Austins Nummer in Monterey. Seine
Tonbandstimme wies mich an, eine Nachricht zu hinterlassen. »Warum sind die
Leute nie da, wenn man sie braucht?«, beklagte ich mich, unterbrach dann die
Verbindung und rief bei mir zu Hause an, um den Anrufbeantworter abzuhören.
Mehrere Stimmen begrüßten mich — darunter die von John, Charlene und Onkel Jim.
Ich rief alles, was Familie war, der Reihe nach zurück. John erreichte ich
nicht, aber Charlene war da — und von Missionseifer beseelt.
»Jetzt hör mal zu«, sagte sie, »wann
gibst du’s endlich auf, wie eine Verrückte durch die Gegend zu rennen und
irgendwelche Leute zu suchen, die dich schon mal nicht haben wollten? Das
verletzt Ma wirklich sehr; sie glaubt, du hast sie nicht mehr lieb. Du solltest
sie wenigstens mal anrufen.«
»Das kann ich nicht.«
»Nie mehr?«
»Weiß nicht.«
»Shar, ich weiß, du bist sauer, weil
sie und Pa dich wegen der Adoption angelogen haben. Ich bin darüber auch nicht
gerade glücklich. Aber sie hielten es für das Beste. Sie haben immer nur unser
Bestes gewollt.«
»So hast du aber damals nicht geredet,
als sie dich eingesperrt haben, weil du mit diesem Hell’s Angel rumgezogen
bist.«
»Damals war ich ein Teenager !
Jetzt, wo ich selbst Mutter bin, sehe ich es objektiver. Und genau das solltest
du mit dieser Adoptionsgeschichte auch tun.«
»Das ist jetzt wirklich nicht der
Moment, darüber zu reden.«
»Wann dann?«
»Wenn... ich ein paar Sachen geklärt
habe.« Ich legte schnell auf. Seit sie von Ricky geschieden und in zweiter Ehe
mit Vic Christiansen verheiratet war, hatte meine Schwester so etwas Weises und
Abgeklärtes — Eigenschaften, die ich bewunderte, mit denen ich mich im Moment
aber nicht herumschlagen wollte.
Hy setzte sich auf und sah auf die Uhr.
»Wird langsam spät, McCone, und ich habe Hunger. Was hältst du davon, etwas
Essbares aufzutreiben?«
»Wo denn? Das einzige Lokal hier im Ort
ist das von Jimmy D., und diesen Herrn würde ich vor unserem Neun-Uhr-Termin
lieber nicht mehr sehen. Und vor allem nicht hören.«
»Na ja, auf der Fahrt hierher habe ich
eine Raststätte an der Hundertneununddreißig gesehen. Ist ein ganzes Stück
weiter südlich, aber wir haben ja noch massig Zeit.«
»Okay, lass uns dort essen. Aber ich
muss erst noch mal kurz telefonieren.« Ich wählte Jims und Susans Nummer. Jim
nahm ab und sagte, sie wollten nur mal wissen, wie es mit der Suche nach meinen
leiblichen Eltern stehe. Ich berichtete kurz, schloss mit den Erkundungen des
heutigen Tages und der Entdeckung der verlassenen Ortschaft.
»Cinder Cone«, sagte er. »Kommt mir
irgendwie bekannt vor.«
»Warst du je in Modoc County?«
»Nein. Aber diesen Namen hab ich schon
gehört. Wo bloß? Ach, es ist ein Kreuz, wenn man alt wird!«
»Denk doch in Ruhe drüber nach. Frag
Susan. Vielleicht weiß sie’s ja.« Ich gab ihm die Motel-Nummer.
Jim ließ nicht locker. »Normalerweise
ist mein Langzeitgedächtnis gut, wenn ich mir auch im Alltag alles aufschreiben
muss.«
»Vielleicht ist dir der Name ja erst
kürzlich irgendwo begegnet.«
»Nein, da ist so ein Gefühl damit
verbunden, als ob es was von früher wäre. Ein unangenehmes Gefühl, wenn ich
ehrlich sein soll.«
»In welcher Weise unangenehm?«
»Na ja, du erinnerst dich an den Abend,
als du bei uns warst und nach Fenellas Reise in das Reservat gefragt hast? Suzy
und ich, wir hatten in dem Moment beide auch diese Art von unangenehmem Gefühl,
aber wir konnten’s nicht dingfest machen.«
»Ich habe gemerkt, dass euch irgendwie
unbehaglich zumute war. Seid ihr drauf gekommen, was es war?«
»Nicht genau. Aber nach diesem
Reservatsaufenthalt war in der Familie plötzlich alles anders. Fenella war
anders — fing
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