Gefährliche Stille
angeschnittenen Keilriemen.« Ich musterte das Haus im
Scheinwerferlicht; vor den Fenstern waren Jalousien, aber ich entdeckte keine
Bewegung, kein Anzeichen dafür, dass uns jemand verstohlen beobachtete. Die
Schuppentür war verschlossen, ein Vorhängeschloss und eine schwere Kette sicherten
einen überdimensionalen Riegel. Etwas bewegte sich hinter dem Schuppen, und
alle meine Muskeln spannten sich an; dann trat ein Reh heraus, die Augen rot
glühend im Scheinwerferkegel. Es erstarrte kurz, warf sich dann herum und
rannte ins Gehölz.
Hy stellte den Motor aus und zog den
Zündschlüssel ab. Langte an mir vorbei und schloss das Handschuhfach auf, wo
seine 45er lag. Manchmal machte mich die ständige Gegenwart dieser Waffe — für
die er keine Mitführerlaubnis hatte — ziemlich nervös. Aber nicht heute Abend,
nicht an diesem dunklen, einsamen Ort.
Während er das Magazin prüfte, griff
ich an die Innenbeleuchtung, löste die Abdeckung und schraubte die Birne
heraus. Falls wir in eine Falle gelockt worden waren, würden wir wenigstens
kein leichtes Ziel bieten.
Wir glitten aus dem Wagen. Hy hielt die
45er beidhändig im Anschlag und schwenkte das Terrain ab. Ich rannte geduckt
zum Haus, drückte mich an die Wand und horchte. Nichts, außer dem fernen Geheul
eines Coyoten. Hy folgte mir gleich darauf.
Ich ging zur Tür, drehte am Knauf; er
gab nach, und ich stieß die Tür auf. Dunkel und Stille dort drinnen. Meine
Nackenhaare sträubten sich. Drinnen stand noch die Wärme des Tages; keine
Bewegung, kein Atmen, aber ein intensiver, vertrauter Geruch schlug mir entgegen.
»Whiskey«, sagte ich. »Bourbon.«
»Vielleicht liegt er ja betrunken
unterm Tisch.«
»Dann muss er aber schon früher
angefangen haben. Wir hätten um neun hier sein sollen und sind nur dreißig
Minuten zu spät.«
»Na ja, lass uns reingehen und
nachgucken.« Auf mein Stirnrunzeln hin fuhr Hy fort: »Dieser Mann hat uns
herbestellt, um uns das Haus zu zeigen. Er war nicht da, die Tür war offen,
also haben wir ohne ihn reingeschaut.« Ich nickte, tastete drinnen die Wand ab,
fand einen Lichtschalter. Er aktivierte eine Hängelampe mit einem
korbgeflochtenen Schirm. Der Raum war klein, und die karge Möblierung bestand
aus zwei niedrigen Sesseln, die wie alte Autositze aussahen. Eine
schwarzgoldene Resopalfrühstückstheke trennte Wohnraum und Kochnische. Auf der
Frühstückstheke stand ein halb volles Wasserglas mit einer bernsteinfarbenen
Flüssigkeit, und über der Schmalseite hing eine Jeansjacke. Ich wollte
eintreten, aber Hy schob sich an mir vorbei, inspizierte den Raum und
verschwand dann in einem kleinen Flur, der in den rückwärtigen Teil des Hauses
führte. Als er wiederkam, steckte er die 45er in seinen Gürtel und sagte:
»Niemand. Die Schlafzimmer sind nicht mal möbliert.«
Ich ging an die Frühstückstheke und
roch an dem Glas. Bourbon, aber nicht genug, um einen so starken Geruch zu
verbreiten. Dann sah ich die Literflasche auf dem platt getretenen blauen
Zottelteppich liegen; der Whiskey war in dem Faserfilz versickert.
»Also, wo ist Jimmy abgeblieben,
McCone?«, sagte Hy. »Wir waren nicht pünktlich, daraufhin hat er angefangen zu
trinken und ist dann in den Wald rausgetorkelt, um einem natürlichen Bedürfnis
nachzukommen?«
»Könnte sein. Die Kloschüssel ist
zerborsten.«
»Aber warum hat er seine Flasche nicht
aufgehoben, bevor so viel ausließ Und warum ist er nicht zurückgekommen, als er
uns kommen hörte? Hier draußen tragen die Geräusche doch weit.«
»Stimmt.«
Ich ging zu der Jeansjacke und
inspizierte die Taschen. Nichts, außer einer Hand voll zerknitterter Bons und
Zettel. Ich strich die Zettel glatt: zwei Einkaufslisten und eine einzelne
Telefonnummer mit der Vorwahl 408, alles in einer Handschrift, die aussah wie
die von Jimmy. Monterey lag im Bereich mit der Vorwahl 408. Rasch
vergegenwärtigte ich mir Austins Privat- und Büronummer. Nein, es war keine von
beiden. Ich zog mein Handy aus meiner Umhängetasche und drückte die Nummer.
Kein Netz. Netzstützpunkte waren hier dünn gesät.
Ich winkte Hy zu mir, und wir gingen
nach draußen, um uns dort umzusehen.
Nach dem Rost an Kette und Schloss zu
urteilen, war der Schuppen seit Jahren nicht mehr betreten worden. Ich fand
eine Ecke, wo sich der Efeu zwischen das Blech gezwängt hatte, stemmte den
Spalt noch etwas weiter auf und leuchtete mit meiner Taschenlampe ins Innere.
Ein Traktormäher, ein paar Gerätschaften, diverse Farbeimer.
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