Gefaehrliche Tiefen
schnorchelten weiter südlich. Ab und zu hörte Sam über die Belllaute der örtlichen Seelöwenkolonie hinweg jemanden etwas rufen oder einen AuÃenbordmotor vor sich hin tuckern. Sie hatte Dan mitsamt dem Satellitentelefon auf dem Oberdeck zurückgelassen, von wo aus er seine Daten an die NPF übermitteln wollte. Sie hatte ihm zudem ihre Fotos und Videos vom Morgen zur Verfügung gestellt, für den Fall, dass die NPF auch damit etwas anfangen konnte. Die Welt musste erfahren, dass im Meeresreservat der Galapagosinseln â auch wenn sie auf den ersten Blick noch unberührt erschienen â schwere Verbrechen verübt wurden.
Auf dem weiÃen Sand aalten sich junge Seelöwen in der Sonne. Einer hatte sich auf der hinteren Luke ihres Kajaks zusammengerollt, ein anderer schlummerte auf dem Sitz, und ein dritter hatte es sich auf dem Bug des Kajaks bequem gemacht. Sam schoss ein Foto. Als sie näherkam, öffnete der am nächsten liegende junge Seelöwe ein Auge, glitt aber erst vom Boot, als sie ihn mit der Sandale sanft gegen den Schwanz stupste. Die drei braunen Fellbündel räumten widerwillig ihre Plätze und schwammen in die Brandung hinaus.
Sam fühlte sich ein wenig schuldig. Es war verboten, die Tiere im Nationalpark zu belästigen, die Touristen durften sie auch nicht berühren.
Bis zum Sonnenuntergang blieb ihr noch ein bisschen Zeit. Nachdem sie ihre Kameras im wasserdichten Fach des Kajaks verstaut hatte, nahm sie ihre Schnorchelausrüstung heraus und watete bis zu den Knien ins kühle Wasser. Als sie die Taucherbrille über die Schläfen zog, brannte es, und ihr wurde klar, dass sie mehr Sonnenschutzmittel hätte auftragen sollen.
Sobald sie etwas weiter hinausschwamm, wurde das Wasser deutlich kälter. Während sie über die festen Lavahügel und -täler schnorchelte, glitten Makrelenschwärme aus den und in die dunklen Höhlen unter ihr und leuchteten in den Sonnenstrahlen, die die Wasseroberfläche durchdrangen, silbern auf. Brackig schmeckendes Wasser drang in Sams Schnorchel, als eine Welle über sie hinwegspülte und sie ein Stück mitriss. Sie war zu nah an den Felsen.
Pass auf, WildWest
, ermahnte sie sich,
sonst kriegst du zusätzlich zu deinem Sonnenbrand noch Lavaausschlag
.
Sie beobachtete, wie sich der Tang in den gegen die Felsenkette klatschenden Wellen hin und her bewegte. Kaum wahrnehmbar vor dem Unterwasserriff tauchte ein dunkler Schatten auf. Ein langer, schuppiger Schwanz bewegte sich im Gleichtakt mit der Brandung â ein rot-schwarz gesprenkelter Meeresleguan. Er knabberte Algen von den Felsen, an denen er sich mit seinen langen Klauen festklammerte. Ein Miniaturdrache. Die Gewässer rund um die Galapagosinseln stellten ein Füllhorn maritimen Lebens dar. Hier fanden sich nicht nur Fische und die üblichen Meeresbewohner, sondern auch Eidechsen, Schildkröten und Vögel.
Eine kleine Welt für sich
, hatte Charles Darwin geschrieben.
Ein Torpedo zischte an ihrem Kopf vorüber. Automatisch blickte sie dorthin, woher er gekommen war, dann drehte sie rasch den Kopf und sah ihm hinterher. Sie wünschte sich, das Projektil wäre schwarz-weiÃ, ein Galapagos-Pinguin, aber die Silhouette war dunkelbraun. Ein junger Seelöwe. Der Halbstarke vollführte eine saubere Pirouette und raste erneut auf sie zu. Sie lieà sich sinken, bis nur noch ihr Scheitel und die Spitze des Schnorchels aus dem Wasser ragten, und trat langsam Wasser. Den Blick seiner schwarzen Augen fest auf sie gerichtet, schoss er auf sie zu. Luftblasen strömten aus seinem spitzen Maul, das direkt auf ihre Tauchermaske gerichtet war. Was zum Teufel ⦠Sam schlug um sich und hätte beinahe ihren Schnorchel verschluckt. Im letzten Moment wich der junge Seelöwe aus und verschwand in der dunkelblauen Tiefe unter ihr. Sam tauchte auf und spuckte Salzwasser.
Eduardo hatte recht â die Seelöwen betrachteten sich als die Herrscher der Galapagosinseln. Sie waren überall. Die älteren Bullen patrouillierten rund um ihre Reviere und bellten dabei ohne Unterlass, um jeden eventuellen Eindringling in ihren Harem zu verjagen. Laut Maxim hatte ein riesiger Bulle im vergangenen Jahr ein schinkengroÃes Stück aus dem Oberschenkel eines Schnorchelnden gerissen. Das klang, als wären diese Säugetiere mit den scharfen Zähnen eine gröÃere Gefahr als die hiesigen Haie. Aber bei ihren
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